„Wir Deutsche[n] fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt“

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Die Bildseite der Postkarte zeigt im Vordergrund einen berittenen Soldaten, der mit erhobenem Säbel über Land galoppiert. Auf der linken Seite im Hintergrund erkennt man ein brennendes Gebäude, das ein Bauernhaus zu sein scheint.
Der obere Bereich des Bildes wird durch eine Portrait-Darstellung Bismarcks ausgefüllt. Eingefasst wird sein Profil von Strahlen, die denen einer stilisierten Sonne gleichen. Unter der Szenerie finden sich die Worte: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!“
Die Rückseite der Postkarte ist unbeschrieben. Allerdings ist sie ausdrücklich als Feldpostkarte ausgewiesen. So finden sich vorgedruckte Felder, in die der Absender Angaben wie „Armeekorps“, „Division“ oder „Regiment“ lediglich einsetzen musste. Das machte die Zustellung der Karte – selbst und gerade in den Wirren des Krieges – einfacher und dadurch wahrscheinlicher. Auch ein vorgefertigtes Feld für den Absender ist vorhanden, außerdem der Zusatz „Vom Reinertrag werden 10% dem Roten Kreuz überwiesen“. Das war eine durchaus gängige Praxis und kam auch anderen gemeinnützigen Einrichtungen zu Gute.
Herausgegeben worden ist diese Postkarte von der Paul Süss A.G. für Luxuspapierfabrikation in Mügeln, bez. Dresden. Zum Künstler finden sich keine Angaben. Auch datiert ist die Postkarte nicht. Allerdings liegt die Annahme nahe, dass sie kurz nach Kriegsbeginn erschienen ist.

Bismarck wacht über seine Soldaten

Bismarck wacht über seine Soldaten

In den Kampf

Der Soldat zu Pferde trägt eine Husarenuniform, genauer eine Uniform der „Totenkopfhusaren“. Dementsprechend müsste er dem 1. oder 2. Preußischen Leibhusarenregiment zugeordnet werden, beides Kavallerieverbände der Preußischen Armee. Die Bezeichnung „Husaren“ lehnte sich dabei vor allem an die Uniform der Kavalleristen an. Der Uniformrock mit Pelzbesatz sowie die Pelzmütze waren in schwarz gehalten. Der Zusatz „Totenkopf“ stammt daher, dass diese Regimenter einen silbernen Totenkopf an der Mütze angebracht hatten. Er sollte die besondere Unnachgiebigkeit sowie Kompromisslosigkeit dieser Kavalleristen – auch deutlich für die Feinde sichtbar – zum Ausdruck bringen.
Der schwarz gekleidete Reiter auf dem schwarzen Pferd wirkt in der sonst vergleichsweise hell gehaltenen Szenerie durchaus einschüchternd. Der gezogene und weit über den Kopf gehobene Säbel unterstreicht diesen Eindruck. Die Staubwolken, die unter den Hufen des Pferdes aufsteigen, suggerieren einen Galopp: Der Reiter treibt sein Pferd mit großer Geschwindigkeit voran. Er scheint kampfbereit und fest entschlossen im Angesicht des Gefechts. Das brennende Gebäude im Hintergrund legt nahe, dass die Kampflinie nicht allzu weit entfernt sein kann.

Der Allgegenwärtige

Über den in den Kampf ziehenden Husaren wacht – in Gestalt der Sonne – der Geist Bismarcks mit Pickelhaube und in Uniform. Gleich der Sonne, die mit ihren Strahlen die gesamte Erde erreicht und erwärmt, erreicht der über allen stehende Geist Bismarcks alle Soldaten. Unabhängig davon, wo man sich also befindet, Bismarck wacht über seine Soldaten und sein Geist beflügelt die Kämpfenden in Ehrgeiz und Moral. Das Motiv der „Siegessonne, die den Weg zum Sieg ausleuchtet“ wurde auf damaligen Abbildungen recht häufig gewählt. Bismarck als allwissender Beobachter, der ein Auge auf „sein“ Reich hat und mit dessen Idealen die Soldaten in den Krieg ziehen.
Dazu passend ist der Ausspruch unter dem Motiv: „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!“ – Eines der wohl berühmtesten Zitate, die Otto von Bismarck zugeschrieben werden. Es entstammt einer Rede, die Bismarck am 6. Februar 1888 vor dem Reichstag gehalten hatte. In besagter Rede befasste Bismarck sich mit der Außenpolitik des Deutschen Reiches und plädierte dafür, sich nicht in Konflikte mit anderen Nationen verwickeln zu lassen oder sich auf Koalitionen einzulassen, die Konfliktpotential böten. Dem – aus diesem Kontext entrissenen – Zitat, das daher auf den ersten Blick entschlossen-aggressiv daherkommt, folgte in Bismarcks Rede noch ein Nachsatz: „Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt“. Die Liebe zum Frieden war jedoch gerade in diesen ersten Kriegsmonaten nicht das, was die Soldaten antreiben sollte. Stattdessen sollten sie voller Begeisterung und Entschlossenheit ins Gefecht ziehen, erfüllt vom Geist von 1870/71. Das aus dem Kontext gelöste Zitat dient ganz wunderbar diesem Zweck: Es stärkte den Glauben der Soldaten in die eigene Kraft und diente dazu, die Moral hochzuhalten – denn wer den Feind nicht fürchtete, kämpfte unerschrockener.