Postkarten

TEASER_Postkarteneinleitung

Postkarten sind in unserer Gesellschaft trotz Smartphones, Twitter und Facebook noch immer ein gängiges Mittel der Kommunikation – vornehmlich um Urlaubsgrüße zu versenden. Zur Zeit ihrer Einführung hatten sie jedoch auch noch andere Funktionen: Als günstige Alternative zum Brief verschickte man sie – zunächst unter dem Namen „Correspondenzkarte“↓1 – als Gruß und oft auch in Form von Poesie. Postkarten wurden als Sammelobjekt verwendet oder man verschickte sie im Krieg „aus dem Feld“ um den Angehörigen ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.↓2

Vorgestellt wurde die Postkarte erstmals auf der 5. Deutschen Postkonferenz in Karlsruhe am 30. November 1865 durch Postrat Dr. Heinrich von Stephan (1831-1897). Doch seine Idee von einem „Postblatt“ für die Kurzkommunikation konnte sich nicht durchsetzen: Das Postwesen sah aufgrund des angestrebten geringen Portos eine signifikante Gefahr. Zu groß waren die Sorgen, selbst bei massenhaftem Absatz zu niedrige Einnahmen durch die „Postblätter“ zu erzielen. Die Verantwortlichen befürchteten im schlimmsten Fall den finanziellen Kollaps des Postwesens. Eingeführt wurde die Postkarte schließlich vier Jahre später in Österreich, nachdem der Ökonomieprofessor Dr. Emanuel Hermann (1839-1902) in einem Memorandum die wirtschaftlichen Vorzüge der „Correspondenzkarte“ angeführt hatte. Er betonte u.a. die Papierersparnis gegenüber herkömmlichen Briefen und Umschlägen. Seine Argumente waren in der Lage, die finanziellen Sorgen des österreichischen Postwesens zu zerstreuen. ↓3 In Österreich stellte sich das niedrige Porto seit 1969 letztendlich als vorteilhafter Aspekt heraus, der sich in hohen Absatzzahlen widerspiegelte.↓ 4

Der Norddeutsche Bund folgte mit der Herausgabe eigener Postkarten am 6. Juli 1870. Es heißt, dass Otto von Bismarck (1815-1898) durch die Oberhofmeisterin Paula von Bülow von der wirtschaftlichen Nützlichkeit und den gesellschaftlich-sozialen Vorteilen der Postkarte überzeugt worden sei und es so Dr. Heinrich von Stephan ermöglicht wurde, sie schlussendlich auch im Bund einzuführen.↓5 Ihre Veröffentlichung erfolgte „pünktlich“ zum Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), in dem erstmals Feldpostkarten versendet wurden.↓6 Die Soldaten erhielten Karten und Porto oft gratis oder stark vergünstigt, um leichter mit ihren Angehörigen kommunizieren zu können. Die Karten fielen auch noch keiner so massiven Zensur zum Opfer, wie es in folgenden Kriegen der Fall war, wodurch die Daheimgebliebenen das Kriegsgeschehen bisweilen ungefiltert erreichte.↓7

Ab dem Juli 1872 war es erlaubt, privatwirtschaftlich hergestellte Karten im Kaiserreich zu vertreiben – so lange sie den Vorgaben der Reichspost entsprachen. Das bedeutete beispielsweise, dass Format und Stärke des Papiers sich den „offiziellen“ Karten der Post anpassen mussten. Die Vorderseite der Karte durfte nur mit Adresse und Briefmarke versehen werden und es musste sich auf ihr die Überschrift „Postkarte“ befinden.↓8 Der Zweck, der erfüllt werden sollte, war ausschließlich der, der schriftlichen Kommunikation. Der visuelle Aspekt der Bildseite fehlte diesen ersten Karten noch vollständig.

Im Zuge der Einführung von Postkarten bestanden anfangs große moralische Bedenken, dass durch die neue Form der Kommunikation Kinder und Dienstpersonal unerlaubten Zugriff auf vertrauliche oder unangemessene Informationen bekommen könnten. Diese Bedenken verstummten jedoch sehr schnell und gehörten aufgrund der rasant wachsenden Beliebtheit des neuen Kommunikationsmediums bald der Vergangenheit an. Im Jahr 1879 stammten 23 Millionen der 350 Millionen europaweit versendeten Postkarten aus dem Deutschen Reich.

Der Postkartenmarkt entpuppte sich als bedeutender Wachstumsmarkt.↓9 Dies war allerdings nicht nur der Beliebtheit des Mediums geschuldet, sondern hing auch mit der rapiden Abwanderung breiter Bevölkerungsschichten in urbane Regionen im Zuge der Industrialisierung seit den 1850ern zusammen. Viele Menschen lebten nun räumlich getrennt von ihren Verwandten. Der Bedarf an Kommunikation erhöhte sich und mit der Postkarte stand eine letztendlich einfache und kostengünstige Lösung parat, um in Kontakt zu bleiben.↓10

Ab dem Jahr 1885 durften die ersten Bildpostkarten privatwirtschaftlich vertrieben werden. Fotokarten mit aufwändigen Verzierungen, Prägungen oder gemalten lithografischen Hintergründen wurden zur Jahrhundertwende hin immer gebräuchlicher. Das Erscheinungsbild der Postkarte, wie wir es heute kennen, mit der Illustration auf der gesamten Rückseite sowie der Adresszeile und dem Korrespondenzraum auf der Vorderseite wurde im Jahr 1904 nach einer Verordnung der Weltpostunion vereinheitlicht.↓11

Die Herausgabe von politischen Postkartenmotiven, die auch Propagandazwecken dienen konnten, wurde im Kaiserreich zwar staatlich überwacht, nicht aber initiiert. Auch die Kultivierung des Bismarck-Mythos oder der Personenkult Wilhelms II. auf Postkartenmotiven ist auf private Verleger zurückzuführen.↓12

Die Zahl der Propagandakarten mit Motiven zum Zweck der Aktivierung und Mobilisierung der breiten Masse für politische Ziele erhöhte sich während des Ersten Weltkriegs noch einmal deutlich.↓13 Oftmals waren diese Motive voll von nationaler Pathetik.↓14 Auch auf Postkarten spielte der „Eiserne Kanzler“ für die Propaganda im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle.

Zu den Postkarten

Fussnoten 

 

1 Lebeck, Robert: Viele Grüße. Eine Kulturgeschichte der Postkarte, Dortmund 1985, S. 401.

2 Holzheid, Anett: Das Medium Postkarte. Eine sprachwissenschaftliche und mediengeschichtliche Studie, Berlin 2011, S. 46, S. 54-55 u. S. 61.

3 Kotlowski, Jan: Alte Postkarten als Kulturspiegel, Oldenburg 1996, S. 6.

4 Vgl. May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S. 1.

5 Vgl. Ebd., S. 2.

6 Vgl. Kotlowski 1996, S. 8.

7 Vgl. Holzheid 2011, S.152-154 u. S.161.

8 Vgl. Holzheid 2011, S. 165; Lebeck 1985, S. 402.

9 Vgl. Kotlowski 1996, S. 8; Lebeck 1985, S. 402.

10 Vgl. Lebeck 1985, S.407; Holzheid 2011, S. 164.

11 Vgl. Lebeck 1985, S.407; Kotlowski 1996, S. 9 u. S. 12-13.

12 Vgl. Lebeck 1985, S. 191.

13 Vgl. Kotloski 1996, S. 16/17.

14 Vgl. Holzheid 2011, S. 154.