Militär und Propaganda

Der ehemalige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) diente der deutschen Propaganda im Laufe des Ersten Weltkriegs als wichtige, kriegsmotivierende Instanz.↓1
Die in dieser Rubrik veranschaulichten Postkarten zeigen, inwiefern Bismarck im Zusammenhang mit militaristischen Propagandakarten im Ersten Weltkrieg instrumentalisiert wurde. Parolen, wie „Wir Deutsche fürchten Gott,  sonst nichts in der Welt“ gehörten dabei zu den gebräuchlichsten  Zitaten Bismarcks, die auf vielen Postkarten wiederzufinden waren.↓2
Der vielerorts verehrte Reichskanzler wurde aufgrund seiner gesellschaftlich breitenwirksamen Beliebtheit vorwiegend zur Legitimation des Konflikts sowie der mentalen Mobilisierung deutscher Soldaten verwendet. Aber auch für die Profilierung Kaiser Wilhelms II. als Anführer im Krieg spielte die Figur Bismarck auf Postkarten eine signifikante Rolle.

„Fußartillerie“

Fußartillerie-1

Das Postkartenmotiv „Fußartillerie“ stammt von der Bruno Bürger & Ottilie GmbH (BBuOL), die in der Leipziger Emilienstrasse 21 ansässig war und 1895 von Bruno Bürger und Carl Ottilie gegründet worden war. Für BBuOL arbeiteten eine ganze Reihe landesweit bekannter Künstler und Illustratoren wie Arthur Thiele, Albert Fiebiger, Otto Weise oder Hermann Schüßler. 1915 wurden etwa 40 Mitarbeiter beschäftigt. Zu den Kunden von BBuOL gehörten zahlreiche Verlage im gesamten Deutschen Reich. Themen auf den Kartenmotiven des Unternehmens waren in breitem Umfang das Militär, aktuelle technische und politische Ereignisse, aber auch Tierdarstellungen. Das Kartensortiment umfasste ca. 12.000 Motive. Aufgelöst wurde die Firma im Jahr 1934.↓3

„Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt“

Das Motiv „Fußartillerie“ zeigt eine Truppe deutscher Soldaten mit Pickelhauben und grauen Uniformen, die mittels Pferd und Wagen ein Artilleriegeschütz transportieren. Die kleine Einheit fährt im schnellen Galopp über einen Feldweg an einem Wald und einer Wiese entlang.

Bei der Bildüberschrift handelt es sich um ein bekanntes Zitat Otto von Bismarcks aus seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1888. In dieser Rede verteidigte der ehemalige Reichskanzler eine Militärvorlage, die die Erhöhung der Kapazität an Reservedienstleistenden um 600.000 Mann vorsah.  Bismarck verfolgte mit dieser Aufrüstung das Ziel, die militärische Defensive Deutschlands gegenüber möglichen Angriffen zu stärken. Das auf der Postkarte abgedruckte Zitat gehörte zum Schlussplädoyer seiner Rede: 4 „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt.“↓5. Dieses Zitat wurde allerdings später um die zweite Satzhälfte gekürzt, die lautete: „[…] und die Gottesfurcht ist es, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt […].“↓6

Bismarck: Der Schutzheilige der deutschen Soldaten

Durch die diese Auslassung bekommt der Satz Bismarcks eine forsche und provokante Wirkung. Während sein Gesamtzitat die Überlegenheit der deutschen Nation propagiert, bewahrt der zweite Satzteil zumindest noch den Anschein von Friedfertigkeit gegenüber anderen Nationen. Durch die Abkürzung wird dieser Aspekt allerdings komplett ausgeblendet. Das Zitat erscheint aggressiver und macht unmissverständlich klar, dass Deutschland militärisch keine Gegner zu fürchten braucht. Diese Überzeugung spiegelt sich auch in der Art und Weise wieder, wie die Fußartilleristen den Feldweg entlang fahren. Die Soldaten wirken mutig, zielstrebig und unerschrocken.

Die Vermittlung eines dementsprechenden Soldatenbildes war das Ziel, das hinter Bildmotiven dieser Art lag. Das verkürzte Zitat Bismarcks spielte dabei eine zentrale Rolle. Im Ersten Weltkrieg diente der Satz insbesondere zur Stimulierung der Gefühlswelt deutscher Soldaten zu „einer mutigen und streitbaren Nation zu gehören, in der die Furchtlosigkeit eine Grunddisziplin war“7.↓8 Ein Appell, der im durch und durch militarisierten Kaiserreich, in dem „das Ideal des stolzen Kriegers als eine generationen- und schichtübergreifende Vorstellung“↓9 galt, auf fruchtbaren Boden fiel. In dieser Gesellschaft gehörten „Martialische Kraftausdrücke“↓10, sowie „eine waffenstarrende Rhetorik“↓11 zur öffentlichen Umgangssprache.

Aufgrund der Tatsache, dass das Zitat von Bismarck stammt, zeigt sich der besondere Wert des Satzes für die deutsche Kriegspropaganda. Schließlich wurde der vornehmlich in bürgerlichen und wirtschaftlich einflussreichen Kreisen verehrte so genannte „Eiserne Kanzler“ „postum“ zum „Schutzheiligen der deutschen Truppen“↓12 auserkoren für dessen nationalstaatliches Erbe man in den Krieg zog. Davon zeugen nicht nur Postkarten, sondern ebenso zahlreiche Bildbände und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen anlässlich der Feierlichkeiten zu Bismarcks 100. Geburtstag am 1. April 1915.↓13

Kriegsmotivation im Namen Bismarcks

Die heldenhafte Hervorhebung einzelner Waffengattungen und die damit offensichtlich verbundene gezielte Ansprache von Soldaten schien für BBuOL ein einträgliches Thema gewesen zu sein. Das Unternehmen brachte eine ganze Reihe gleichartiger Motive mit furchtlos auftretenden Soldaten und dem Zitat Bismarcks aus seiner Reichstagsrede auf den Postkartenmarkt. Insgesamt veröffentlichten viele Verlage große Kartenauflagen mit seinem offenbar beliebten Satz.↓14

Durch die häufige Verwendung des Bismarck-Zitats erscheint das Kommunikationsmittel Postkarte wie ein propagandistisches Schlüsselmedium zur kriegsmotivierenden Konstruktion sowie Vermittlung eines Bildes von mutigen, furchtlosen und unbesiegbaren deutschen Soldaten, bereit zum Kampf auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

Heimatgrüße eines Fußartilleristen

Der Verfasser der am 13. Juli 1915 geschriebenen Feldpostkarte war der Kanonier Carl Kumberg (1. Rekrut Depot), des Fußartillerie Regiment Nr.13 (9. Korps), stationiert in Straßburg (Kaiser Wilhelm Kaserne). Adressiert wurde sie an Herrn August Scharnke, einen Gastwirt aus der Kampstraße in Hamburg/ St. Pauli.

Die Postkarte↓15 ist weder frankiert, noch mit einem Poststempel versehen. Es befindet sich lediglich ein Stempel der Einheit des Absenders auf der Karte. Ob die Karte postalisch gelaufen ist, kann leider nicht beantwortet werden. Ein Stempel des Postkartenhauses F. Seidenkohl („F. Seidenkohl, Strassburg, Els., Münsterplatz 5“) lässt auf einen Straßburger Verkäufer schließen, von dem Herr Kumberg die Karte erworben haben könnte.↓16

Bemerkenswert ist die Überschneidung von abgebildeter Waffengattung (Fußartillerie) und der Tatsache, dass Herr Kumberg in eben dieser diente. Da er allerdings in einem eher negativen Ton und nur beiläufig über sein soldatisches Leben in Straßburg berichtet, kann davon ausgegangen werden, dass die Postkarte nicht zwingend aus patriotischer Überzeugung gewählt wurde. Sein Ton deckt sich nicht mit der im Bildmotiv dargestellten Heroisierung, die durch Bismarcks Zitat untermauert werden sollte. Man darf also davon ausgehen, dass Carl Kumberg nicht nur in freudiger Überzeugung in den Krieg gezogen ist.

Rückseite der Postkarte
Rückseite der Postkarte „Fußartillerie“

„Bismarck und Napoleon III.“

Die Postkarte „Bismarck und Napoleon III.“ ist eine „Wohlfahrtskünstler-Postkarte“ des Vereins für Wohlfahrtsmarken, der sich unter anderem der Bekämpfung der Tuberkulose und Säuglingssterblichkeit verschrieben hatte. Vertrieben wurde die Karte vom Galerie-Verlag aus Berlin-Steglitz.↓17 Das vorliegende Motiv ist im Jahr 1900 von Ludwig Putz (1866-1947) angefertigt worden.↓18 Die Zeichnung des österreichischen Künstlers ist einem Ölgemälde des berühmten deutschen Militär- und Schlachtenmalers Wilhelm Camphausen (1818-1885) aus dem Jahre 1878 nachempfunden. Das vorliegende Postkartenbild zeigt den gefangenen französischen Kaiser Napoleon III. (1803-1873) und Otto von Bismarck (1815-1898) bei ihrer Begegnung auf der Straße nach Donchery.↓19

Gemälde von Wilhelm Camphausen
Vorderseite der Postkarte „Bismarck und Napoleon III.“

Der geschlagene Kaiser und der deutsche Kanzler

Auf dem Motiv wird Napoleon III. sitzend in einer offenen Kutsche abgebildet. Im Vergleich zu Bismarck wirkt er wesentlich kleiner und vermittelt durch seine gebeugte Haltung einen unterwürfigen und geschlagenen Eindruck. Zudem werden im linken Bildteil eine Reihe älterer französischer Offiziere präsentiert, die mit gesenkten Köpfen in Richtung Kutsche laufen und einen ähnlich devoten Eindruck vermitteln wie Napoleon III.

Bismarcks Erscheinung steht dieser Darstellung wiederum als kompletter Kontrast entgegen.
Er wird als kräftigster Bildbestandteil hoch zu Ross und mittig im Vordergrund präsentiert. Der Reichskanzler des Norddeutschen Bundes strahlt eine deutliche Überlegenheit aus, die sich in seiner Haltung gegenüber dem französischen Kaiser wiederspiegelt.

Bismarck: Das integrative Symbol deutscher Stärke

Die im Motiv polarisierende Darstellung Bismarcks und Napoleons III. zeigt das Gefühl der nationalen Überlegenheit Deutschlands gegenüber Frankreich auf. Dabei steht Bismarck, in dem vor allem protestantische Bürger und rechtskonservative Kreise „ihre Identität [fanden]“↓20, als „metaphysische Wesenheit“↓21 für Deutschland.↓22 Die genannten Gesellschaftsschichten können als Kernzielgruppe für das Kartenmotiv verstanden werden.

Die aufrechte und starke Gestalt Bismarcks steht letztendlich symbolisch für die deutsche Überlegenheit gegenüber dem sogenannten „Erbfeind“↓23 Frankreich, das in der Person von Napoleon III. und seinen Offizieren schwach und unterlegen dargestellt wird. Vor dem bildthematischen Hintergrund der Kapitulation Napoleons III. bei Sedan wird diese Unterlegenheit noch einmal unterstrichen. Die im Bild zum Ausdruck kommende deutsche Überlegenheit, die auch als Abgrenzung zu verstehen ist, dient der Stärkung des deutschen Gemeinschaftsgefühls, also eines deutschen Nationalgefühls.

Instrumentalisierung einer deutschen Kriegsikone

Nach 1870 gehörte die Darstellung der Begegnung Bismarcks und Napoleons III. zu den berühmtesten nationalen Ikonen des Kaiserreichs.↓24 Das Ölgemälde Camphausens wurde vielfach nachgezeichnet. Obwohl es sich bei dem vorliegenden Bild um kein Propagandamotiv aus dem Ersten Weltkrieg handelt, findet sich in ihm dennoch eine propagandistische Relevanz für diesen Konflikt.

Dadurch, dass die Karte an den bedeutenden deutschen Sieg bei Sedan (1870) erinnert, der letztendlich auch die Entstehung des geeinten Deutschen Reiches begünstigte, ist sie als eine Art Vorhersage oder Ausblick zu werten. Die durch die Person Bismarck versinnbildlichte deutsche Überlegenheit gegenüber den Franzosen wird für die Träger des „Bismarck-Mythos“ zum Motivationsfaktor und Hoffnungsträger auf einen erneuten siegreichen Ausgang im neuen Konflikt.

Eine Dankeskarte aus Rostock

Die vorliegende Postkarte↓25 wurde am 26. Januar 1915 von einem nur mit Vornamen genannten „Kurt“ an einen ebenso lediglich als „Adolf“ bezeichneten Mann geschrieben. Auf ihr befinden sich weder Briefmarke noch Stempel. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Karte nicht als solche abgeschickt wurde – und es auch nicht werden sollte. Darauf lässt die Art und Weise der Beschriftung schließen, denn der aus einer Kaserne in Rostock stammende Verfasser betextete die Karte vollflächig und ließ keinen Platz für eine Zieladresse. Ihr Ziel wird die Karte in einem Brief oder durch eine dritte Person gefunden haben, die Adressat und Versender persönlich kannte. Wo sich Adressat Adolf jedoch befand, bleibt ungewiss; leider liefert der Inhaltstext der Karte diesbezüglich auch keinen weiteren Aufschluss.

Der Verfasser bedankt sich für die seitens des Adressaten geschickten Briefe und Zeitungen mit der Bitte, fleißig weitere zu schicken. Er zeigt ein starkes Informationsbedürfnis, doch ob dieses Interesse hinsichtlich der Lage einer Front oder doch eher dem heimischen Umfeld galt wird nicht ersichtlich. Ein Zusammenhang zwischen dem schriftlichen Inhalt und dem Bildmotiv ist nicht vorhanden.

Rückseite der Postkarte
Rückseite der Postkarte „Bismarck und Napoleon III.“

„Kanonen donnern“

Das Motiv „Kanonen donnern“ stammt von der Ross-Bromsilber Vertriebs GmbH und wurde im Jahr 1914 auf den Postkartenmarkt gebracht.↓26 Der Verlag wurde am 7. Dezember 1912 von Heinrich Ross (1870-1940) gegründet. Der Firmensitz befand sich in der Alexandrinenstraße 110 in Berlin. In den Jahren 1920 bis 1937 war Heinrich Ross der in Europa führende Verleger von Künstlerpostkarten und Fotos mit Porträts bekannter Filmschauspieler und Filmszenen; zunächst nur für Künstler aus Deutschland, später auch für internationale Filmschaffende. ↓27

Mit nationaler Lyrik, Bismarck und den Geistern der Vergangenheit zum Sieg

Das oben abgebildete Motiv besteht aus drei Teilen: Auf der linken Seite findet sich ein Porträt von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), darunter ein Gedicht, das Otto von Bismarck (1815-1898) gewidmet ist und einen Appell von ihm enthält:

„Kanonen donnern; heiß tobt die Schlacht.
Doch über den Wolken, dräuend geballt,
Der Eiserne Kanzler hält treue Wacht,
Und weithin im Himmel sein Mahnruf erschallt:
Ihr Helden aus Deutschlands Ruhmeszeit,
Von Friedrich dem Großen, von Blücher geführt
Mein Heldenkaiser! Was ich prophezeit,
Kaiser Friedrich und Moltke:
Der Brand ist geschürt!
Die Feinde stürmen sich rings zuhauf;
Doch kühn nimmt’s deutscher Mut und Kraft
Mit einer Welt in Waffen auf,
Bis siegreich endlich Ruhe geschafft!“

Ein weiterer Bestandteil ist die Abbildung von sechs bedeutenden politischen und militärischen Persönlichkeiten aus der preußisch-deutschen Geschichte im oberen Drittel der Postkarte. Das Motiv zeigt den ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck, Generalfeldmarschall Gebhardt von Blücher↓28 (1742-1819), Kaiser Wilhelm I.↓29 (1797-1888), König Friedrich II., den Großen↓30 (1712-1786), Kaiser Friedrich III.↓31 (1831-1888) sowie Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke↓32 (1800-1891) (Abbildung v.l.). In dieser Szene blickt Bismarck zum Rest der Männer hinüber. Er hält eine Art Ansprache an sie, während er mit dem Zeigefinger in den unteren Bildteil deutet. Alle Personen sind zum Zeitpunkt der Kartenveröffentlichung bereits tot und schweben daher gemeinsam in den Wolken.

Im unteren Bereich des Bildes überquert eine große Kolonne deutscher Soldaten, zu erkennen an den Pickelhauben, mit Geschützen, Transportfahrzeugen, Fluggerät eine Brücke, die über den Rheinführt. Dies ist der dritte Bestandteil der Postkarte, auf den Bismarck aus dem oberen Bildbereich der Postkarte hindeutet.

Bismarck: Prophet, Schutzpatron und Instrument zur Profilierung des Kaisers 

Im Zentrum der Propagandakarte steht das Zusammenspiel der drei Kartenbestandteile; die Instrumentalisierung Bismarcks bildet dabei den Mittelpunkt. In dem Gedicht wird Bismarck in den Dienst der Massenmobilisierung und der Profilierung Wilhelms II. gestellt. Die Vermittlung des bevorstehenden Krieges als „Prophezeiung“ durch die  Integrationsfigur Bismarck sollte die gravierende Bedeutung und Unausweichlichkeit des bevorstehenden Kampfes breitenwirksam glaubhaft machen. Dass der Reichskanzler im Himmel „treue Wacht“ hält, sollte Zuversicht und die Hoffnung erwecken, dass sein „Geist“ den deutschen Soldaten als moralische Stütze zur Seite stünde.

In den letzten vier Zeilen des Gedichts wird Wilhelms II. Stellung als Führungspersönlichkeit profiliert. Die Verfasser lassen hier Bismarck direkte Bezüge auf die Rede Wilhelms II. vom 6. August 1914 nehmen. In dieser Rede richtete der Kaiser einen emotionalen Aufruf an das deutsche Volk, sich entschlossen den Feinden zu stellen, die Deutschland „[m]itten im Frieden“↓33 überfallen hätten. Damit waren Frankreich, Russland und Großbritannien gemeint.

Im Gedicht wird von Feinden gesprochen, die „rings zuhauf“ heranstürmen. „Doch kühn nimmt’s deutscher Mut und Kraft“, so die konstruierten Worte Bismarcks: „Mit einer Welt in Waffen auf, Bis [sic!] siegreich endlich Ruhe geschafft!“
In der Rede des Kaisers heißt es fast deckungsgleich: „Und wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross.“↓34

Die Tatsache, dass Bismarck die Aussagen des deutschen Kaisers fast wortgenau an die sogenannten „Helden aus Deutschlands Ruhmeszeit“ wie Friedrich den Großen, Blücher, Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich III. und Moltke richtet, vermittelt den Eindruck, als ob der Reichskanzler ihnen die nunmehrige Führerschaft Wilhelms II. verkündet. Für die Betrachter der Postkarte bedeutete das ein unmissverständliches Hervorheben der Vertrauenswürdigkeit des Kaisers, der zu Beginn des Krieges  bei den vorwiegend aus dem Bürgertum stammenden Bismarckverehrern aufgrund seines  „persönlichen Regiments“↓35 auch kritisch angesehen wurde.↓36

Dadurch, dass Bismarck Wilhelm II. gewissermaßen „zitiert“, bezeugt er gegenüber den deutschen Kaisern, Königen und Generälen, die alle zusammen in erfolgreichen Kriegen gegen Frankreich gekämpft haben, seine Überzeugung, dass es ihnen Wilhelm II. in seiner mutigen und entschlossenen Manier gleich machen werde und den bevorstehenden Aufgaben des Krieges in allen Belangen gewachsen sei.

Wilhelm II. erhält die Unterstützung Bismarcks, der legitime Anführer im neuen Krieg gegen Frankreich zu sein. Ein Anführer, der alle nötigen Eigenschaften mitbringt, um in die exklusive Tradition der abgebildeten deutschen „Helden“ zu treten. Der Fingerzeig Bismarcks auf die über den Fluss ziehenden deutschen Truppen und deren Marschrichtung gen Westen (d.h. in Richtung Frankreich) verstärkt diesen Eindruck.

Die zweite Rheinüberquerung

Der Krieg wird bildlich in eine Analogie zur Rheinüberquerung von Generalfeldmarshall von Blücher während der sogenannten Befreiungskriege gestellt. Im Zuge dieses Konflikts überquerten preußische Truppen im Januar 1813 den Rhein und kämpften anschließend bis zur Eroberung von Paris.↓37 Der Glaube und die Zuversicht daran, dass der neue Krieg gegen Frankreich unter der Führung Wilhelms II. ebenso siegreich ausgehen würde, ist der zentrale Aspekt, der durch diese Analogie gestützt wird.

Gemälde der „Rheinüberquerung“ von Wilhelm Camphausen (1818-1885)
Gemälde der „Rheinüberquerung“ von Wilhelm Camphausen (1818-1885)

Feldpostvorbereitungen in Hohenlimburg

Die Postkarte↓38 stammt von einer Frau namens Anna und wurde an Frau Änne Kallerhoff in Hohenlimburg adressiert. Postalisch gelaufen ist die Karte gemäß Stempel am 24. September 1914. Die Verfasserin schreibt über eine Zigarrensendung an einen Mann namens Fritz und richtet den Vorschlag an Frau Kallerhoff, einen Brief zu schreiben, den sie dann zusammen mit etwas Schokolade an den besagten Fritz schicken kann. Ob es sich bei diesem um einen verwandten Frontsoldaten oder zivilen Freund handelt, wird inhaltlich leider nicht deutlich. Eine zwingende Verbindung zwischen Text und Bildmotiv lässt sich nicht erschließen.

Rückseite der Postkarte
Rückseite der Postkarte „Kanonen donnern“

Fußnoten:

1: Vgl.: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Heidelberg 2014, S.227.

2: Vgl.: Ebd., S.227-230.

3: Vgl.: Mirko-Ansichtskarten. In: http://www.mirko-ansichtskarten.de/index.php?cPath=76_217&SESS=366031e60371bc3242b9f3eb551af81a – Letzter Zugriff: 18.02.2015 – 14 Uhr.

4: Vgl.: Pflanze, Otto: Bismarck. Der Reichskanzler, München 1998, S.518-519.

5: http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k7_bsb00018648_00043.html – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

6: Ebd.

7: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S.229.

8: Vgl.: Ebd., S.229.

9: Morgenstern, Ulf: Im Zenit und vor dem Zerfall: Die Gesellschaft des späten Kaiserreiches. In: Scheele, Friedrich/Seggern, Andreas von: Sehnsucht nach dem Krieg? Am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Oldenburg 1913, Oldenburg 2013, S.33.

10: Morgenstern, Im Zenit vor dem Zerfall, S.33.

11: Ebd., S.33.

12: Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.37.

13: Vgl.: Ebd., S.35-37.

14: Vgl.: May: Mythos auf Postkarten, S.230.

15:
[Von:] Kan. Carl Kumberg (1. Rekrut depot), Fuss. Art. Rgt N.13. Strassburg, Kaiser Wilh. Kaserne, 9. Korp
[An:] Herrn August Scharnke (Gastwirt), Hamburg St. Pauli, Kampstraße
Straßburg d. 13/7 0/15 Werther August! Endlich komme ich dazu dir meinen besten Dank zu übermitteln das du mich mit nach der Bahn gebracht hast, hat mich sehr gefreut. Nun bin ich schon 8 tage hier nun habe ich mich schon bald eingelebt. aber aber Soldatenleben Nun lieber August grüsse bitte alle Bekannte von mir auch seist du lieber August sowie deine liebe Frau vielmals gegrüsst. v. Carl Kumberg.

16: Hinweis auf Existenz von „F.Seidenkohl“ als Postkartenhaus unter: Vintagepostcards-Archive. In: http://vintagepostcards-archive.com/ak-33382.html – Letzter Zugriff: 19.02.2015 – 22 Uhr.

17: Leider konnten bisher keine nennenswerten Informationen über den Berliner Galerie-Verlag gefunden werden.

18: Vgl.: Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher. In: http://www.zvab.com/buch-suchen/autor/galerie- verlag-steglitz-berlin-hrsg – Letzter Zugriff: 15.02.2015 – 17 Uhr; Artnet. In: http://www.artnet.de/k%C3% BCnstler/ludwig-putz/auktionsresultate – Letzter Zugriff: 15.02.2015 – 17 Uhr.

19:
„Das Treffen fand kurz nach der Niederlage der Franzosen bei Sedan (02.09.1870) statt. Der
gefangengenommene Kaiser Napoleon III. befand sich auf dem Weg zum preußischen König Wilhelm I. (1797-1888) um eine Milderung der Friedensbedingungen zu erreichen. Der preußische General v. Moltke (1800-1891) verhandelte zu diesem Zeitpunkt in Donchery mit französischen Generalen über die Entwaffnung und Gefangennahme der französischen Armee. Bismarck gab Napoleon III. zu verstehen, dass der König für eine Unterredung zu weit entfernt war und diese nur mit ihm erfolgen konnte. Im anschließenden Gespräch konnte Napoleon III. keinen Kompromiss erzielen. Die Friedensbedingungen blieben unverändert und somit mussten 104.000 französische Soldaten, sowie Napoleon III. den Weg in die deutsche Kriegsgefangenschaft nach Kassel-Wilhelmshöhe antreten.“ (Vgl.: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim
2014, S.48-51.)

20: Studt: Das Bismarckbild der deutschen Öffentlichkeit (1898-1998), Friedrichsruher Beiträge Band 6, Otto-von Bismarck-Stiftung 1999, S.10.

21: Ebd., S.10.

22: Vgl.: Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.25; Studt: Bismarckbild, S.10.

23: Gerwarth: Bismarck-Mythos, S.37.

24: Beleg von Hr. Morgenstern folgt !!

25:
Rostock, 26. I. 15. Lieber Adolf. Habt Dank für deinen Brief. Hier in der Kaserne hört man garnichts (sic!) von Sendungen. Alles erfahre ich durch die von Euch geschickten Zeitungen. Schickt immer fleißig weiter. Die letzte Ansichtskarte habe ich erhalten. Hab ich mich dafür nicht bedankt, so nimm es mir nicht übel. Viel (?) Schreibt recht oft. Gruß Kurt         

26: Vgl.: Staatsbibliothek-Berlin.de. In: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN767489918&PHYSID=PHYS_0001 – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

27: Vgl.: Postkarten-Archiv.de. In: http://www.postkarten-archiv.de/ross-rotophot-und-film-sterne-verlag.html – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

28:
„Generalfeldmarshall von Blücher war der Oberbefehlshaber der preußischen Truppen in den sogenannten Befreiungskriegen (1813-1815). In diesem Konflikt führte er die preußische Armee im Januar 1813 über den Rhein bis zur Eroberung von Paris im März 1814. Durch sein Eingreifen in die Schlacht von Waterloo (Sommer 1815) konnte Napoleon I. (1769-1821) endgültig besiegt und anschließend auf St. Helena im Südatlantik verbannt werden.“ (Vgl.: Krause, Arnulf: Der Kampf um die Freiheit. Die Napoleonischen Befreiungskriege in Deutschland, Darmstadt 2013, S.286-288 u. 302-303).

29:
„Der preußische König Wilhelm I. wurde nach dem Krieg gegen Frankreich (1870-1871) am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles zum 1. Deutschen Kaiser gekrönt.“ (Vgl.: Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871, Die Neue Deutsche Geschichte (Band 7), München 1995, S.427-428).

30:
„Kaiser Friedrich II. der Große etablierte Preußen während des verlustreichen „Siebenjährigen Krieges“ (1756-1763) als europäische Großmacht im Kampf gegen Österreich, Russland, Frankreich und Schweden.“ (Vgl.: Füssel, Marian: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2012, S.90; Schmidt, Georg: Wandel durch Vernunft. Deutschland 1715-1806, Die Neue Deutsche Geschichte (Band 6), München 1995, S.161).

31:
„Friedrich III. war der 2. Deutsche Kaiser (Sohn von Wilhelm II.). Er starb bereits 99-Tage nach seiner Thronbesteigung und wurde folgend „99-Tage Kaiser“ genannt. In den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870-71) erwies sich Friedrich III. als talentierter und erfolgreicher Befehlshaber verschiedener preußischer Armeen.“ (Vgl.: Müller, Franz Lorenz: Der 99-Tage-Kaiser. Friedrich III. von Preußen. Prinz. Monarch. Mythos, München 2013, S.9 u. S.178-180).

32:
„Generalfeldmarshall von Moltke hatte in den Kriegen gegen Österreich (1866) und Frankreich (1870-71) den Oberbefehl über die preußischen Streitkräfte. Der aus preußischer Sicht positive Ausgang dieser Konflikte wird eng mit seiner Person verknüpft.“ (Vgl. Herre, Franz: Moltke. Der Mann und sein Jahrhundert, Stuttgart 1984, S.229, S.284 u. S.329).

33: Deutsches Rundfunkarchiv. In: http://www.dra.de/online/dokument/2006/november_transkript.html – Letzter Zugriff: 04.10.2015 – 16Uhr. Unter diesem Link ist die gesamte Rede Kaiser Wilhelms II. vom 06. August 1914 als Transkript zu lesen.

34: Ebd..

35:
„Mit dem „persönlichen Regiment“ ist Kaiser Wilhelms II. eigener Anspruch zu verstehen, die deutsche Politik in allen Belangen als Kaiser von „Gottes Gnaden“ selbst bestimmen zu wollen. (Vgl.: Hull, Isabel V.: Persönliches Regiment. In: Röhl, John C.G. (Hg.): Der Ort Kaiser Wilhelms II. in der deutschen Geschichte, Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 17, München 1991, S.3-4).

36: Vgl.: Hering, Rainer: Dem besten Steuermann Deutschlands. Der Politiker Otto von Bismarck und seine Deutung im radikalen Nationalismus zwischen Kaiserreich und Drittem Reich, Friedrichsruher Beiträge (Band 26), Otto-von-Bismarck-Stiftung 2006, S.24; Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.24.

37: Vgl.: Krause: Kampf um die Freiheit, Darmstadt 2013, S.286-288.

38:
Frau Änne Kallerhoff, Hohenlimburg, Langenkamzstrß. 4.
Liebe Änne! Teile Dir eben mit, dass ich Fritz schon den Inhalt des Paketes mitgeteilt hatte, nämlich bei den Zigarren, hoffentlich kommen die an denn es waren gute ich hatte 10 u. 12 Pfg angelegt es waren 15 St. E. A. wie wäre es wenn Du einen Brief schriebest u. ihn mir nachschickst, dann kann ich ihn ja Sonntag mit zu den Stufen tun, du kannst ihn ja fertig ohne Kuvert tun, den ganzen Brief dann in ein größeres u. dann nach hier schicken
Vorderseite:
ich lege ihn dann nur mit ins Paketchen ich will dann auch wieder etwas Schokolade mit schicken. Grüße an alle, Anna