Kämpfende Truppen

Die abgebildeten deutschen Truppen marschieren von links nach rechts. Bei einer Nordung der Münze würde das bedeuten, dass sie, vor dem Hintergrund des 1. Weltkrieges, nach Osten, also in Richtung Russland marschieren. Allerdings sind die auf der Rückseite fliehenden Soldaten als Franzosen erkennbar.

Die Begebenheit, auf die diese Medaille Bezug nimmt, ist einerseits das sogenannte Augusterlebnis. Mit Blumen geschmückte Truppen ziehen scheinbar unter dem allgemeinen Jubel der gesamten Bevölkerung ins Feld. Diese historiographische Darstellung ist zum größten Teil unzutreffend. Zwar gab es eine gewisse Zustimmung zum Kriegseintritt, aber in der breiten Bevölkerung überwogen Angst und Unsicherheit. ↓1 Das Augusterlebnis an sich ist eher eine Konstruktion national gesinnter Bevölkerungsschichten gewesen, bei der einzelne gesellschaftliche Ereignisse sowohl aus dem Kontext gerissen, als auch eine entsprechende Umdeutung erfahren haben, um sie in das „Augusterlebnis“ integrieren zu können. ↓ 2

Andererseits wird durch die Vorgänge auf der Rückseite der Medaille Bezug zum Feldzug gegen Frankreich von 1870/71 genommen. Die vor den siegreichen Deutschen fliehenden französischen Truppen, was im August 1914 auch tatsächlich so war, symbolisieren die Hoffnung, dass der gegenwärtige wie der vorherige Krieg, ein kurzer, schneller und siegreicher Krieg werden sollte. Nach den anfänglichen Erfolgen war die Westfront im Frühjahr 1915 allerdings schon längst in Schützengräben erstarrt, und von einem schnellen Sieg über Frankreich konnte keine Rede mehr sein.

Die im Hintergrund erkennbaren Kriegschiffe konstruierten ebenso wie die fliehenden Franzosen eher eine Hoffnung als eine Kriegsrealität. Die deutsche Kriegsmarine sollte, von einigen wenigen Gefechten zu Beginn des Krieges, und der Skarrgerakschlacht von 1916 ↓3 den Großteil des Krieges untätig in ihren Häfen liegen. ↓4
Über den ausrückenden Truppen schwebt in den Wolken, mit den theologisch aufgeladenen Worten: „Ich bin bei euch“, der Geist des verstorbenen Bismarck. Hiermit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Bismarck aus seinem Grab heraus die deutschen Truppen unterstützt und als Schutzengel über sie wacht.

Der wiederauferstandene bzw. aus dem Jenseits agierenden Bismarck vergöttlicht die Person Bismarck zum Mythos. Daneben zeigt diese Medaille aber auch eine starke Kriegspropaganda auf, in der der gegenwärtige Krieg in die Tradition des siegreich geführten Feldzugs von 1870/71 gestellt wird, welcher mit einem deutschen Sieg und der Gründung des Deutschen Kaiserreichs endete.

Informationen zum Bild: ↓5

Medaille Kämpfende Truppen:
„Unbekannter Medailleur
Vs. Von der Bevölkerung begeistert verabschiedete deutsche Infanterie und Kavallerie nach rechts, darüber der Geist Bismarcks in Wolken, im Abschnitt die Jahreszahl 1914, bez. über dem Abschnitt rechts: M(ayer). & W(ilhelm). ST(UTTGART).
Geteilte Umschrift oben: ICH BIN _ BEI EUCH
Rs. Deutsche Infanterie im Kampf mit flüchtenden französischen Truppen nach rechts, im Feld oben Seeschlacht, bez. am Rand rechts: M. & W. ST., Inschrift im Spruchband unten: GEPRÄGT ANLÄSSL. DER 100. GEBURSTAGSFEIER BISMARCKS 1. 4. 1915.
Umschrift oben: MIT GOTT WOHLAUF FÜR DEUTSCHEN REICHES EHR
Silber Rand gepunzt: 1000 Silber, 54 mm
Hersteller: Metallwarenfabrik und Kunstprägeanstalt Mayer & Wilhelm, Stuttgart
Lit.: Bahrfeldt, Nr. 5

↓Fußnoten:

1. Vgl. Münkler, Herfried: Der Große Krieg, Berlin5 2014, S. 222-225.
2. Vgl. Stöcker, Michael: Augusterlebnis 1914 in Darmstadt. Legende und Wirklichkeit, Darmstadt 1994, S. 9-11.
3. Vgl. Ebd., S 497-508.
4. Vgl. Ebd., S. 492-493.
5. Vgl. Buchholz, S.216.