Diese Karte wurde vom Verlag Novitas, G.m.b.H., Berlin (SW68) herausgegeben. Das Bild trägt die Signatur „KRIWUB“. Wer oder was genau sich hinter diesem Namen verbirgt, ist leider nicht rauszufinden. Allerdings lassen sich zahlreiche andere Postkarten mit der selben Signatur finden, die politische Karikaturen oder humoristische Motive zeigen. Ausgehend vom Poststempel auf der Rückseite kann die Karte auf den Oktober 1915 datiert werden.
Die Bildseite der Postkarte zeigt einen Saal, in den durch ein großes Fenster Mondlicht hereinfällt. Die Größe des Fensters und die Dimensionen in denen etwa das Mobiliar gezeichnet ist, lassen auf einen Saal von enormen Ausmaßen schließen, wie sie für ein großes Herrenhaus oder ein Schloss typisch wären. Im Vordergrund stehen zwei Männer: Der Linke scheint überlebensgroß und annähernd durchsichtig. Seine Umrisse sind weiß gegen den dunklen Hintergrund gezeichnet, man erkennt eine Uniform mit Säbel und Pickelhaube, die verschränkten Arme vor der Brust sowie einen Schnurrbart – Mimik ist nicht erkennbar. Zu Füßen dieser Gestalt steht ein Mann, der offenbar zurückschreckt, die weißen Haare stehen ihm zu Berge. In der Hand hält er einen Kerzenleuchter und er trägt einen schwarzen Anzug mit einer Art Orden in Sternenform an der Hüfte. Über der Szenerie steht der Ausspruch: „Der alte Geist lebt noch!“
Die Rückseite der Karte ließ sich bisher nur bedingt enträtseln. Eindeutig ist lediglich, dass sie aus Dresden abgeschickt und ganz klar als Feldpostkarte deklariert an einen Soldaten gesendet wurde.
Der alte Geist
Die Darstellung und der Ausspruch legen nahe, dass es sich bei dem Geist um Otto von Bismarck handelt. Wer die kleine Gestalt ist, die sich vor ihm erschreckt, ist dagegen nichtklar zu sagen. Wenn man davon ausgeht, dass der Saal zum Schloss Versailles gehört, dann könnte der Hausherr Georges Clemenceau darstellen. Er erschreckt sich vor dem „Geist“, der die deutschen Truppen im Kampf gegen die französischen Streitkräfte unterstützt und vorantreibt. Clemenceau bekleidete von 1906 bis 1909 sowie von 1917-1920 das Amt des französischen Ministerpräsidenten. Seine gesamte politische Laufbahn war von einer gewissen Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet, die ihm den Beinamen „der Tiger“ einbrachte. Er hatte bereits während seiner Amtszeit vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich gewarnt und sich dafür ausgesprochen, sich für einen Krieg zu rüsten.
Die deutschen Farben?
Geht man von den Farben des Bandes aus, an dem der sternenförmige Orden hängt – schwarz, weiß und rot –, könnte der Hausherr ein Deutscher sein. Frack und Orden sprechen für einen Politiker oder Diplomaten. Das würde dem Geist Bismarcks eine mahnende, wenn nicht sogar ermutigende Funktion verleihen. Eine Erinnerung an den Krieg gegen Frankreich 1870/71, die Moral hochzuhalten und sich nicht vom Feind unterkriegen zu lassen.
Doch ganz gleich, an wen genau sich dieser Ausspruch richtet, der Grundgedanke bleibt der selbe: Bismarck und seine Werte und Ideale leben über seinen Tod hinaus. „Sein“ Reich will beschützt sein, mit Disziplin und Entschlossenheit. Eine Vergöttlichung findet hier zwar nur bedingt statt, dennoch wird sie auf gewisse Art und Weise – mit dem Aspekt des „Nachlebens“ – wieder aufgegriffen.