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Angespielt: Der Eiserne Kanzler

Während sich im Jahre 1915 das Deutsche Reich im Krieg befand, brach auch in Teilen Afrikas und des Pazifiks der Erste Weltkrieg in den Kolonien der europäischen Großmächte aus. Gleichzeitig, während junge Deutsche für ihr Vaterland im Krieg kämpften, feierte die Gesellschaft des Deutschen Reichs den 100. Geburtstag des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarcks.

Denn auch 17 Jahre nach seinem Tode, spielte Bismarck eine bedeutende gesellschaftliche Rolle und der Bismarck-Mythos erlebte ein neues Hoch. Anlässlich seines Geburtstages entstanden Festschriften und Postkarten, welche mit rühmenden Worten an den Politiker und seine Taten erinnerten. Der Hausser-Verlag, spezialisiert auf Gesellschaftsspiele aller Art, nutze diesen damalig festlichen Anlass und veröffentlichte das Brettspiel „Der eiserne Kanzler“.

Geschichtliches Bismarck-Lotto

Dieses, als geschichtliches Lotto, konzipierte Spiel widmet sich mit den Worten „Jugend von heute, höre du! Vergiss ihn nicht den großen Streiter, des Deutschen Reiches Glücksbereiter!“, an die Jugendlichen des Jahres 1915. Auf spielerische Weise widmet sich dieses Lernspiel den Erfolgen und politischen Taten Otto von Bismarcks. Dabei nimmt es sich auch seinen persönlicher Lebensweg an. Neben Eckdaten von Konferenzen und Schlachten, werden die Namen seiner Familienmitglieder und Hunde, sowie Politiker abgefragt. „Der eiserne Kanzler“ wurde als ein reines Frage-und-Antwort-Spiel entwickelt.

 

Auch das Ziel des Spieles, welches die Beantwortung möglichst vieler Fragen ist, lässt nicht auf eine konstruktive Auseinandersetzung mit Otto von Bismarck schließen. Weder wird seine politische Laufbahn, noch einzelne Aktionen oder gar mögliche Niederlagen, hinterfragt. Zudem werden auch die Konsequenzen dieser politischen Taten weder beleuchtet noch erläutert. Durch den fehlenden Raum für Kritik und das reine Aneinanderreihen von Informationen, entsteht das Bild eines gewaltiges, glanzvollen und durchweg erfolgreichen Politikers. Dieses Brettspiel fordert somit geschichtliches Wissen, anstatt zu einer kritischen Geschichtsdebatte beizutragen.

Manipulativ-spielerische Erinnerung

Das Gesellschaftsspiel inszeniert das wechselreiche Leben Otto von Bismarck von der Jugend bis ins Alter für den jugendlichen Spieler. Der Hausser-Verlag, welcher unter anderem Spiele wie „Jung Deutschlands Schlachtenspiel“ veröffentlichte, nutzte die Popularität und den Ruhm Bismarcks, um ein weiteres Gesellschaftsspiel zu veröffentlichen.

Ob sich der Verlag dabei den Kult um die Person Bismarcks zu nutzen zog, oder gar diesen weiter schüren wollte, bleibt an dieser Stelle ungeklärt. Deutlich lässt sich allerdings erkennen, dass mit manipulativ spielerischen Mitteln die Erinnerung an den Politiker im Kriegsjahr 1915, zu einem höchst berechneten Zeitpunkt, hervorgerufen wurde.

Cenk Sentürk / Monika Kühl