Bismarck mit erhobener Faust

Reichsadler und Bismarck
Reichsadler und Bismarck

Bismarck befindet sich mit Schwert und erhobener Faust in einer martialisch-heroisierenden Kampfpose, die Stärke ausdrücken soll. Er steht hinter einem das Deutsche Kaiserreich symbolisierenden Reichsadler, der ein Liktorenbündel in seinen Klauen hält.

Das Liktorenbündel, welches aus einem Beil bestand, dass in einem Rutenbündel steckte, war das Amtssymbol für die höchsten römischen Machthaber, wie Konsuln und Diktatoren. Diese wurden der jeweiligen Person von den Liktoren vorangetragen. ↓1 Dadurch wird das Deutsche Kaiserreich in eine Traditionlinie sowohl zum Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als auch zum antiken Römischen Imperium gestellt.

Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sahen sich als die Nachfolger der Römischen Kaiser. Nach der antiken und mittelalterlichen Vorstellung, die sich in der „Vier-Reiche-Lehre“ begründete, war das Römische Weltreich das letzte Reich, nach dessen Untergang Gott die Weltgeschichte würde enden lassen. Infolge der „Translatio Imperii“-Theorie↓2 ging die römische Herrschaft im Mittelalter erst auf die Franken und dann auf die Deutschen über, wodurch das Römische Imperium in der Wahrnehmung der Zeitgenossen fortbestand.

Dies legt den Schluss nahe, dass das Deutsche Kaisereich, in Gestalt des Reichsadlers und des Liktorenbündels, als Nachfolger des mittelalterlichen und damit auch des antiken Kaiserreichs gesehen wurde.

Auf dieser Plakette werden außerdem die Gleichzeitigkeiten des Ungleichzeitigen offenbart. Bismarck ist von Lanzen und Kanonen flankiert. Lanzen gehörten zur Bewaffnung von Kavallerie, doch verlor die Kavallerie ihre militärische Bedeutung im 1. Weltkrieg. Stattdessen wurde die Artillerie wichtig, was sich in deren Ausbau als Waffengattung und ihrem massiven Einsatz an der Westfront, in der Schlacht von Verdun und der Schlacht an der Somme im Jahr 1916 zeigte.

Die hier dargestellte Lesart des Bismarck-Mythos beansprucht einerseits eine ganz bestimmte Traditionslinie, da Bismarck hier in eine anscheinend nahezu zweitausendjährige kaiserliche Tradition gestellt wird. Andererseits wird durch die Abbildung der Waffen militärische Propaganda betrieben, da mit dieser Darstellung die Stärke der deutschen Armeen symbolisiert wird.

Informationen zum Bild:↓3

„Unbekannter Medailleur
Vs.: Im Rahmen sich aufschwingender gekrönter Reichsadler mit Liktoren-Bündel in den Fängen von vorne zwischen zwei gekreuzten Fahnen, Lorbeer- und Eichenzweige, Kanonen und Lanzen, darüber Bismarck stehend von vorne mit gesenktem Schwert und geballter Faust, im Feld links die Jahreszahl: 1914, unter dem Adler eine Tafel mit Inschrift: ZUM / 100. GEBURTSTAG / BISMARCKS / 1815 -1915, bez. am Rand links: M(ayer). u(und) W(ilhelm)., rechts: ST(UTTGARTT).
a. Silber, Rand gepunzt: 1000 Silber, 50 x 40 mm
[…]
Hersteller: Metallwarenfabrik und Kunstprägeanstalt Mayer & Wilhelm, Stuttgart.“

↓Fußnoten:

1. Vgl. Rabbow, Arnold: dtv-Lexikon politischer Symbole, München 1970, S. 76.
2. Vgl. Thomas, Heinz: Translatio Imperii, in: Lexikon des Mittelalters, 10 vols (Stuttgart: Metzler, [1977]-1999), vol. 8, cols 944-946, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias – Lexikon des Mittelalters Online.
3. Vgl. Buchholz, S.219.