Bismarckmythos » Postkarten http://bismarckmythos1915.de 1815 – 1915 Tue, 20 Oct 2015 13:36:42 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.1.37 Postkarten http://bismarckmythos1915.de/?p=338 http://bismarckmythos1915.de/?p=338#comments Thu, 10 Sep 2015 14:22:16 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=338 Postkarten sind in unserer Gesellschaft trotz Smartphones, Twitter und Facebook noch immer ein gängiges Mittel der Kommunikation – vornehmlich um Urlaubsgrüße zu versenden. Zur Zeit ihrer Einführung hatten sie jedoch auch noch andere Funktionen: Als günstige Alternative zum Brief verschickte man sie – zunächst unter dem Namen „Correspondenzkarte“↓1 – als Gruß und oft auch in Form von Poesie. Postkarten wurden als Sammelobjekt verwendet oder man verschickte sie im Krieg “aus dem Feld” um den Angehörigen ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.↓2

Vorgestellt wurde die Postkarte erstmals auf der 5. Deutschen Postkonferenz in Karlsruhe am 30. November 1865 durch Postrat Dr. Heinrich von Stephan (1831-1897). Doch seine Idee von einem „Postblatt“ für die Kurzkommunikation konnte sich nicht durchsetzen: Das Postwesen sah aufgrund des angestrebten geringen Portos eine signifikante Gefahr. Zu groß waren die Sorgen, selbst bei massenhaftem Absatz zu niedrige Einnahmen durch die „Postblätter“ zu erzielen. Die Verantwortlichen befürchteten im schlimmsten Fall den finanziellen Kollaps des Postwesens. Eingeführt wurde die Postkarte schließlich vier Jahre später in Österreich, nachdem der Ökonomieprofessor Dr. Emanuel Hermann (1839-1902) in einem Memorandum die wirtschaftlichen Vorzüge der „Correspondenzkarte“ angeführt hatte. Er betonte u.a. die Papierersparnis gegenüber herkömmlichen Briefen und Umschlägen. Seine Argumente waren in der Lage, die finanziellen Sorgen des österreichischen Postwesens zu zerstreuen. ↓3 In Österreich stellte sich das niedrige Porto seit 1969 letztendlich als vorteilhafter Aspekt heraus, der sich in hohen Absatzzahlen widerspiegelte.↓ 4

Der Norddeutsche Bund folgte mit der Herausgabe eigener Postkarten am 6. Juli 1870. Es heißt, dass Otto von Bismarck (1815-1898) durch die Oberhofmeisterin Paula von Bülow von der wirtschaftlichen Nützlichkeit und den gesellschaftlich-sozialen Vorteilen der Postkarte überzeugt worden sei und es so Dr. Heinrich von Stephan ermöglicht wurde, sie schlussendlich auch im Bund einzuführen.↓5 Ihre Veröffentlichung erfolgte „pünktlich“ zum Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), in dem erstmals Feldpostkarten versendet wurden.↓6 Die Soldaten erhielten Karten und Porto oft gratis oder stark vergünstigt, um leichter mit ihren Angehörigen kommunizieren zu können. Die Karten fielen auch noch keiner so massiven Zensur zum Opfer, wie es in folgenden Kriegen der Fall war, wodurch die Daheimgebliebenen das Kriegsgeschehen bisweilen ungefiltert erreichte.↓7

Ab dem Juli 1872 war es erlaubt, privatwirtschaftlich hergestellte Karten im Kaiserreich zu vertreiben – so lange sie den Vorgaben der Reichspost entsprachen. Das bedeutete beispielsweise, dass Format und Stärke des Papiers sich den „offiziellen“ Karten der Post anpassen mussten. Die Vorderseite der Karte durfte nur mit Adresse und Briefmarke versehen werden und es musste sich auf ihr die Überschrift „Postkarte“ befinden.↓8 Der Zweck, der erfüllt werden sollte, war ausschließlich der, der schriftlichen Kommunikation. Der visuelle Aspekt der Bildseite fehlte diesen ersten Karten noch vollständig.

Im Zuge der Einführung von Postkarten bestanden anfangs große moralische Bedenken, dass durch die neue Form der Kommunikation Kinder und Dienstpersonal unerlaubten Zugriff auf vertrauliche oder unangemessene Informationen bekommen könnten. Diese Bedenken verstummten jedoch sehr schnell und gehörten aufgrund der rasant wachsenden Beliebtheit des neuen Kommunikationsmediums bald der Vergangenheit an. Im Jahr 1879 stammten 23 Millionen der 350 Millionen europaweit versendeten Postkarten aus dem Deutschen Reich.

Der Postkartenmarkt entpuppte sich als bedeutender Wachstumsmarkt.↓9 Dies war allerdings nicht nur der Beliebtheit des Mediums geschuldet, sondern hing auch mit der rapiden Abwanderung breiter Bevölkerungsschichten in urbane Regionen im Zuge der Industrialisierung seit den 1850ern zusammen. Viele Menschen lebten nun räumlich getrennt von ihren Verwandten. Der Bedarf an Kommunikation erhöhte sich und mit der Postkarte stand eine letztendlich einfache und kostengünstige Lösung parat, um in Kontakt zu bleiben.↓10

Ab dem Jahr 1885 durften die ersten Bildpostkarten privatwirtschaftlich vertrieben werden. Fotokarten mit aufwändigen Verzierungen, Prägungen oder gemalten lithografischen Hintergründen wurden zur Jahrhundertwende hin immer gebräuchlicher. Das Erscheinungsbild der Postkarte, wie wir es heute kennen, mit der Illustration auf der gesamten Rückseite sowie der Adresszeile und dem Korrespondenzraum auf der Vorderseite wurde im Jahr 1904 nach einer Verordnung der Weltpostunion vereinheitlicht.↓11

Die Herausgabe von politischen Postkartenmotiven, die auch Propagandazwecken dienen konnten, wurde im Kaiserreich zwar staatlich überwacht, nicht aber initiiert. Auch die Kultivierung des Bismarck-Mythos oder der Personenkult Wilhelms II. auf Postkartenmotiven ist auf private Verleger zurückzuführen.↓12

Die Zahl der Propagandakarten mit Motiven zum Zweck der Aktivierung und Mobilisierung der breiten Masse für politische Ziele erhöhte sich während des Ersten Weltkriegs noch einmal deutlich.↓13 Oftmals waren diese Motive voll von nationaler Pathetik.↓14 Auch auf Postkarten spielte der „Eiserne Kanzler“ für die Propaganda im Ersten Weltkrieg eine wichtige Rolle.

Zu den Postkarten

Fussnoten 

 

1 Lebeck, Robert: Viele Grüße. Eine Kulturgeschichte der Postkarte, Dortmund 1985, S. 401.

2 Holzheid, Anett: Das Medium Postkarte. Eine sprachwissenschaftliche und mediengeschichtliche Studie, Berlin 2011, S. 46, S. 54-55 u. S. 61.

3 Kotlowski, Jan: Alte Postkarten als Kulturspiegel, Oldenburg 1996, S. 6.

4 Vgl. May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S. 1.

5 Vgl. Ebd., S. 2.

6 Vgl. Kotlowski 1996, S. 8.

7 Vgl. Holzheid 2011, S.152-154 u. S.161.

8 Vgl. Holzheid 2011, S. 165; Lebeck 1985, S. 402.

9 Vgl. Kotlowski 1996, S. 8; Lebeck 1985, S. 402.

10 Vgl. Lebeck 1985, S.407; Holzheid 2011, S. 164.

11 Vgl. Lebeck 1985, S.407; Kotlowski 1996, S. 9 u. S. 12-13.

12 Vgl. Lebeck 1985, S. 191.

13 Vgl. Kotloski 1996, S. 16/17.

14 Vgl. Holzheid 2011, S. 154.

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“Bismarck als Waffenschmied” http://bismarckmythos1915.de/?p=582 http://bismarckmythos1915.de/?p=582#comments Thu, 10 Sep 2015 12:19:17 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=582 Der Schmied des Reiches

Die Bildseite der Karte zeigt eine Fotografie einer Bismarck-Skulptur. Sie zeigt ihn als Schmied in einfacher Arbeitskleidung am Amboss stehend. Die Kleidung Bismarcks in dieser Darstellung ist eine ganz einfache: hemdsärmelig und mit schützender Lederschürze steht er am Amboss. Keine Uniform oder Anzug, die ihn als Reichskanzler oder Gutsbesitzer auszeichnen würden; keine Orden oder Auszeichnungen schmücken ihn. Seine Haltung ist gerade, starr, der Blick geradeaus gerichtet. Es geht kaum Dynamik von ihm aus, er scheint unumstößlich. In der rechten Hand hält er einen Hammer, in der Linken ein Schwert; beide liegen auf dem Amboss auf. Sie suggerieren, dass er soeben in seiner Arbeit innegehalten hat, ansonsten stets eifrig und gewissenhaft damit beschäftigt, neue Waffen herzustellen und zu formen. Zu seinen Füßen liegen ein weiterer Hammer und eine Zange. Am Fuß des Baumstumpfes, auf dem der Amboss steht, hängt ein Hufeisen. Dieses ist dort als Glücksbringer befestigt, wobei es durch die Art und Weise, wie es aufgehängt ist, seinen eigentlichen Zweck verfehlt. Außerdem lehnt ein Schild, mit dem preußischen Wappen darauf, daneben. Das Wappen ist dabei der Verweis auf das Reich, das Bismarck „geschmiedet“ hat.

Die Bilder von Bismarck als „Schmied des Reiches“ oder als „Schmied von Blut und Eisen“ haben sich als fester Bestandteil des Mythos um seine Person etabliert und werden in den Darstellungen immer wieder aufgegriffen. Diese Form der Darstellung nimmt vor allem Bezug auf seine Rolle als „Reichsgründer“ – ihm alleine sei es zu verdanken gewesen, dass es ein Deutsches Reich gegeben hat. Diese Vorstellung ist zwar nicht unbegründet, aber so stark kann sie auch nicht vereinfacht werden.
Der Ausdruck „Blut und Eisen“ geht dabei auf eine Äußerung von Bismarck selbst zurück. Er hatte diese Formulierung wiederum in einer Rede verwendet, die er 1862 gehalten hatte, in der es um die Preußische Heeresreform ging. Sie sei nötig gewesen, um eine Einigung des Deutschen Reiches herbeizuführen – notfalls unter Waffen.

Der Schmied des Reiches

Der Schmied des Reiches

„Wir Deutsche fürchten unseren Gott“

Bei dieser Karte lässt sich weder sagen, bei welchem Verlag sie erschienen ist, noch lässt sich ein Künstler bzw. Fotograf ermitteln (lediglich der Hersteller der abgebildeten Büste, Abicht & Co aus Illmenau in Thüringen, ist angegeben). Der Text ist datiert auf Januar 1915, die Karte könnte aber auch schon früher entstanden sein, da sie sich an keinem bestimmten Ereignis seit der Reichsgründung orientiert.
Auf der Rückseite findet sich ein kurzes, wahrscheinlich vom Absender selbst verfasstes Gedicht, das sich an eines der berühmtesten Zitate Bismarcks anlehnt. (Siehe Karte 1)
Die Karte hat weder Marke noch Stempel, allerdings legt die Widmung die Vermutung nahe, dass sie dennoch einen Empfänger erreicht hat, möglicherweise  in einem Brief oder durch persönliche Übergabe.
Das Gedicht zeugt vom glühenden Nationalismus und Patriotismus, der die ersten Monate des Ersten Weltkriegs im Deutschen Reich kennzeichnete. Man ist sich – laut Autorin – der Bedrohung aus Russland – „Im Osten liegt der grimme Bär“ – durchaus bewusst. Auch um die von Frankreich – „Und ob im Westen auch der Hahn zugleich erhebt sein Kriegsgeschmetter“ – ausgehende Gefahr weiß man.
Der Hahn als Synonym für Frankreich ergibt sich aus dem Lateinischen: Das Wort „Gallus“ kann sowohl Hahn als auch Gallien bedeuten, was auf die Ursprünge Frankreichs zurückgeht. Es ist – anders als z.B. die Marianne – kein offizielles Staatssymbol Frankreichs, doch wird es auch heute noch oft verwendet.
Doch „tönt ein donnergleiches Wort herunter in die Völkerherde“: „Wir Deutschen fürchten unseren Gott, sonst aber niemand auf der Erde“. Bismarck, sein Geist und seine Moral, sein Mythos – sie stehen über den deutschen Soldaten und lassen sie noch ehrgeiziger kämpfen um ihr Land gegen bereits genannte Bedrohungen zu verteidigen. Als körperlose Stimme, die die Soldaten mahnt und ermutigt, wird Bismarck zu dem Gott erhoben, von dem er spricht.
Bismarck und der Mythos, der ihn umgibt, finden sich auf dieser Karte also in doppelter Auslegung: Zum einen sieht man ihn als einfachen Handwerker, der es aus eigener Kraft geschafft hat, ein einiges Deutsches Reich zu „schmieden“. Zum anderen als vergöttlichter, allwissender Beobachter, der über sein Reich wacht und über jene, die dafür kämpfen, es zu erhalten.

Text der Rückseite der Karte:

„Deutsch und furchtlos.
Die ganze Welt in Waffen starrt,
Ein wogend Feld von Erz und Eisen,
Und alles lauscht, und alles harrt:
Wer wird den rechten Pfad uns weisen
Da tönt ein donnergleiches Wort
Herunter in die Völkerherde:
Wir Deutschen fürchten unseren Gott,
Sonst aber niemand auf der Erde!
Im Osten liegt der grimme Bär,
Mit scharfem Biß und ehrnen Pranken,
Und immer näher, immer näh’r
Drängt er an unseres Hauses Schranken.

Er kratzt und scharrt an Wand und Pfort,
Daß Stein und Pfosten wankend werden:
Wir Deutschen fürchten unseren Gott,
Sonst aber niemand auf der Erde!
Und ob im Westen auch der Hahn
Zugleich erhebt sein Kriegsgeschmetter,
Und ob sie alle auf den Plan
Zum Sturme ziehen im Schlachtenwetter
Wir stehen ohne Angst und Spott,
Zum Schutz bereit dem heim’schen Herd
Wir Deutsche fürchten unseren Gott,
Sonst aber niemand auf der Erde!
(von My)
Herzlichen Sonntagsgruß,
Deine My.
Hbg 9/1 1915

Patriotische Poesie

Patriotische Poesie

 

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“Wir Deutsche[n] fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt” http://bismarckmythos1915.de/?p=576 http://bismarckmythos1915.de/?p=576#comments Thu, 10 Sep 2015 12:14:17 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=576 Die Bildseite der Postkarte zeigt im Vordergrund einen berittenen Soldaten, der mit erhobenem Säbel über Land galoppiert. Auf der linken Seite im Hintergrund erkennt man ein brennendes Gebäude, das ein Bauernhaus zu sein scheint.
Der obere Bereich des Bildes wird durch eine Portrait-Darstellung Bismarcks ausgefüllt. Eingefasst wird sein Profil von Strahlen, die denen einer stilisierten Sonne gleichen. Unter der Szenerie finden sich die Worte: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!“
Die Rückseite der Postkarte ist unbeschrieben. Allerdings ist sie ausdrücklich als Feldpostkarte ausgewiesen. So finden sich vorgedruckte Felder, in die der Absender Angaben wie „Armeekorps“, „Division“ oder „Regiment“ lediglich einsetzen musste. Das machte die Zustellung der Karte – selbst und gerade in den Wirren des Krieges – einfacher und dadurch wahrscheinlicher. Auch ein vorgefertigtes Feld für den Absender ist vorhanden, außerdem der Zusatz „Vom Reinertrag werden 10% dem Roten Kreuz überwiesen“. Das war eine durchaus gängige Praxis und kam auch anderen gemeinnützigen Einrichtungen zu Gute.
Herausgegeben worden ist diese Postkarte von der Paul Süss A.G. für Luxuspapierfabrikation in Mügeln, bez. Dresden. Zum Künstler finden sich keine Angaben. Auch datiert ist die Postkarte nicht. Allerdings liegt die Annahme nahe, dass sie kurz nach Kriegsbeginn erschienen ist.

Bismarck wacht über seine Soldaten

Bismarck wacht über seine Soldaten

In den Kampf

Der Soldat zu Pferde trägt eine Husarenuniform, genauer eine Uniform der „Totenkopfhusaren“. Dementsprechend müsste er dem 1. oder 2. Preußischen Leibhusarenregiment zugeordnet werden, beides Kavallerieverbände der Preußischen Armee. Die Bezeichnung „Husaren“ lehnte sich dabei vor allem an die Uniform der Kavalleristen an. Der Uniformrock mit Pelzbesatz sowie die Pelzmütze waren in schwarz gehalten. Der Zusatz „Totenkopf“ stammt daher, dass diese Regimenter einen silbernen Totenkopf an der Mütze angebracht hatten. Er sollte die besondere Unnachgiebigkeit sowie Kompromisslosigkeit dieser Kavalleristen – auch deutlich für die Feinde sichtbar – zum Ausdruck bringen.
Der schwarz gekleidete Reiter auf dem schwarzen Pferd wirkt in der sonst vergleichsweise hell gehaltenen Szenerie durchaus einschüchternd. Der gezogene und weit über den Kopf gehobene Säbel unterstreicht diesen Eindruck. Die Staubwolken, die unter den Hufen des Pferdes aufsteigen, suggerieren einen Galopp: Der Reiter treibt sein Pferd mit großer Geschwindigkeit voran. Er scheint kampfbereit und fest entschlossen im Angesicht des Gefechts. Das brennende Gebäude im Hintergrund legt nahe, dass die Kampflinie nicht allzu weit entfernt sein kann.

Der Allgegenwärtige

Über den in den Kampf ziehenden Husaren wacht – in Gestalt der Sonne – der Geist Bismarcks mit Pickelhaube und in Uniform. Gleich der Sonne, die mit ihren Strahlen die gesamte Erde erreicht und erwärmt, erreicht der über allen stehende Geist Bismarcks alle Soldaten. Unabhängig davon, wo man sich also befindet, Bismarck wacht über seine Soldaten und sein Geist beflügelt die Kämpfenden in Ehrgeiz und Moral. Das Motiv der „Siegessonne, die den Weg zum Sieg ausleuchtet“ wurde auf damaligen Abbildungen recht häufig gewählt. Bismarck als allwissender Beobachter, der ein Auge auf „sein“ Reich hat und mit dessen Idealen die Soldaten in den Krieg ziehen.
Dazu passend ist der Ausspruch unter dem Motiv: „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt!“ – Eines der wohl berühmtesten Zitate, die Otto von Bismarck zugeschrieben werden. Es entstammt einer Rede, die Bismarck am 6. Februar 1888 vor dem Reichstag gehalten hatte. In besagter Rede befasste Bismarck sich mit der Außenpolitik des Deutschen Reiches und plädierte dafür, sich nicht in Konflikte mit anderen Nationen verwickeln zu lassen oder sich auf Koalitionen einzulassen, die Konfliktpotential böten. Dem – aus diesem Kontext entrissenen – Zitat, das daher auf den ersten Blick entschlossen-aggressiv daherkommt, folgte in Bismarcks Rede noch ein Nachsatz: „Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt“. Die Liebe zum Frieden war jedoch gerade in diesen ersten Kriegsmonaten nicht das, was die Soldaten antreiben sollte. Stattdessen sollten sie voller Begeisterung und Entschlossenheit ins Gefecht ziehen, erfüllt vom Geist von 1870/71. Das aus dem Kontext gelöste Zitat dient ganz wunderbar diesem Zweck: Es stärkte den Glauben der Soldaten in die eigene Kraft und diente dazu, die Moral hochzuhalten – denn wer den Feind nicht fürchtete, kämpfte unerschrockener.

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“Der alte Geist lebt noch” http://bismarckmythos1915.de/?p=579 http://bismarckmythos1915.de/?p=579#comments Thu, 10 Sep 2015 12:04:40 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=579 Diese Karte wurde vom Verlag Novitas, G.m.b.H., Berlin (SW68) herausgegeben. Das Bild trägt die Signatur „KRIWUB“. Wer oder was genau sich hinter diesem Namen verbirgt, ist leider nicht rauszufinden. Allerdings lassen sich zahlreiche andere Postkarten mit der selben Signatur finden, die politische Karikaturen oder humoristische Motive zeigen. Ausgehend vom Poststempel auf der Rückseite kann die Karte auf den Oktober 1915 datiert werden.

Die Bildseite der Postkarte zeigt einen Saal, in den durch ein großes Fenster Mondlicht hereinfällt. Die Größe des Fensters und die Dimensionen in denen etwa das Mobiliar gezeichnet ist, lassen auf einen Saal von enormen Ausmaßen schließen, wie sie für ein großes Herrenhaus oder ein Schloss typisch wären. Im Vordergrund stehen zwei Männer: Der Linke scheint überlebensgroß und annähernd durchsichtig. Seine Umrisse sind weiß gegen den dunklen Hintergrund gezeichnet, man erkennt eine Uniform mit Säbel und Pickelhaube, die verschränkten Arme vor der Brust sowie einen Schnurrbart – Mimik ist nicht erkennbar. Zu Füßen dieser Gestalt steht ein Mann, der offenbar zurückschreckt, die weißen Haare stehen ihm zu Berge. In der Hand hält er einen Kerzenleuchter und er trägt einen schwarzen Anzug mit einer Art Orden in Sternenform an der Hüfte. Über der Szenerie steht der Ausspruch: „Der alte Geist lebt noch!“

Die Rückseite der Karte ließ sich bisher nur bedingt enträtseln. Eindeutig ist lediglich, dass sie aus Dresden abgeschickt und ganz klar als Feldpostkarte deklariert an einen Soldaten gesendet wurde.

Der Geist alter Zeiten …

Der Geist alter Zeiten …

Der alte Geist

Die Darstellung und der Ausspruch legen nahe, dass es sich bei dem Geist um Otto von Bismarck handelt. Wer die kleine Gestalt ist, die sich vor ihm erschreckt, ist dagegen nichtklar zu sagen. Wenn man davon ausgeht, dass der Saal zum Schloss Versailles gehört, dann könnte der Hausherr Georges Clemenceau darstellen. Er erschreckt sich vor dem „Geist“, der die deutschen Truppen im Kampf gegen die französischen Streitkräfte unterstützt und vorantreibt. Clemenceau bekleidete von 1906 bis 1909 sowie von 1917-1920 das Amt des französischen Ministerpräsidenten. Seine gesamte politische Laufbahn war von einer gewissen Skrupellosigkeit und Rücksichtslosigkeit gekennzeichnet, die ihm den Beinamen „der Tiger“ einbrachte. Er hatte bereits während seiner Amtszeit vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich gewarnt und sich dafür ausgesprochen, sich für einen Krieg zu rüsten.

Die deutschen Farben?

Geht man von den Farben des Bandes aus, an dem der sternenförmige Orden hängt – schwarz, weiß und rot –, könnte der Hausherr ein Deutscher sein. Frack und Orden sprechen für einen Politiker oder Diplomaten. Das würde dem Geist Bismarcks eine mahnende, wenn nicht sogar ermutigende Funktion verleihen. Eine Erinnerung an den Krieg gegen Frankreich 1870/71, die Moral hochzuhalten und sich nicht vom Feind unterkriegen zu lassen.
Doch ganz gleich, an wen genau sich dieser Ausspruch richtet, der Grundgedanke bleibt der selbe: Bismarck und seine Werte und Ideale leben über seinen Tod hinaus. „Sein“ Reich will beschützt sein, mit Disziplin und Entschlossenheit. Eine Vergöttlichung findet hier zwar nur bedingt statt, dennoch wird sie auf gewisse Art und Weise – mit dem Aspekt des „Nachlebens“ – wieder aufgegriffen.

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Militär und Propaganda http://bismarckmythos1915.de/?p=22 http://bismarckmythos1915.de/?p=22#comments Tue, 28 Jul 2015 12:12:06 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=22 Der ehemalige Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) diente der deutschen Propaganda im Laufe des Ersten Weltkriegs als wichtige, kriegsmotivierende Instanz.↓1
Die in dieser Rubrik veranschaulichten Postkarten zeigen, inwiefern Bismarck im Zusammenhang mit militaristischen Propagandakarten im Ersten Weltkrieg instrumentalisiert wurde. Parolen, wie „Wir Deutsche fürchten Gott,  sonst nichts in der Welt“ gehörten dabei zu den gebräuchlichsten  Zitaten Bismarcks, die auf vielen Postkarten wiederzufinden waren.↓2
Der vielerorts verehrte Reichskanzler wurde aufgrund seiner gesellschaftlich breitenwirksamen Beliebtheit vorwiegend zur Legitimation des Konflikts sowie der mentalen Mobilisierung deutscher Soldaten verwendet. Aber auch für die Profilierung Kaiser Wilhelms II. als Anführer im Krieg spielte die Figur Bismarck auf Postkarten eine signifikante Rolle.

“Fußartillerie”

Fußartillerie-1

Das Postkartenmotiv „Fußartillerie“ stammt von der Bruno Bürger & Ottilie GmbH (BBuOL), die in der Leipziger Emilienstrasse 21 ansässig war und 1895 von Bruno Bürger und Carl Ottilie gegründet worden war. Für BBuOL arbeiteten eine ganze Reihe landesweit bekannter Künstler und Illustratoren wie Arthur Thiele, Albert Fiebiger, Otto Weise oder Hermann Schüßler. 1915 wurden etwa 40 Mitarbeiter beschäftigt. Zu den Kunden von BBuOL gehörten zahlreiche Verlage im gesamten Deutschen Reich. Themen auf den Kartenmotiven des Unternehmens waren in breitem Umfang das Militär, aktuelle technische und politische Ereignisse, aber auch Tierdarstellungen. Das Kartensortiment umfasste ca. 12.000 Motive. Aufgelöst wurde die Firma im Jahr 1934.↓3

“Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt”

Das Motiv „Fußartillerie“ zeigt eine Truppe deutscher Soldaten mit Pickelhauben und grauen Uniformen, die mittels Pferd und Wagen ein Artilleriegeschütz transportieren. Die kleine Einheit fährt im schnellen Galopp über einen Feldweg an einem Wald und einer Wiese entlang.

Bei der Bildüberschrift handelt es sich um ein bekanntes Zitat Otto von Bismarcks aus seiner Reichstagsrede vom 6. Februar 1888. In dieser Rede verteidigte der ehemalige Reichskanzler eine Militärvorlage, die die Erhöhung der Kapazität an Reservedienstleistenden um 600.000 Mann vorsah.  Bismarck verfolgte mit dieser Aufrüstung das Ziel, die militärische Defensive Deutschlands gegenüber möglichen Angriffen zu stärken. Das auf der Postkarte abgedruckte Zitat gehörte zum Schlussplädoyer seiner Rede: 4 „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt.“↓5. Dieses Zitat wurde allerdings später um die zweite Satzhälfte gekürzt, die lautete: „[…] und die Gottesfurcht ist es, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt […].“↓6

Bismarck: Der Schutzheilige der deutschen Soldaten

Durch die diese Auslassung bekommt der Satz Bismarcks eine forsche und provokante Wirkung. Während sein Gesamtzitat die Überlegenheit der deutschen Nation propagiert, bewahrt der zweite Satzteil zumindest noch den Anschein von Friedfertigkeit gegenüber anderen Nationen. Durch die Abkürzung wird dieser Aspekt allerdings komplett ausgeblendet. Das Zitat erscheint aggressiver und macht unmissverständlich klar, dass Deutschland militärisch keine Gegner zu fürchten braucht. Diese Überzeugung spiegelt sich auch in der Art und Weise wieder, wie die Fußartilleristen den Feldweg entlang fahren. Die Soldaten wirken mutig, zielstrebig und unerschrocken.

Die Vermittlung eines dementsprechenden Soldatenbildes war das Ziel, das hinter Bildmotiven dieser Art lag. Das verkürzte Zitat Bismarcks spielte dabei eine zentrale Rolle. Im Ersten Weltkrieg diente der Satz insbesondere zur Stimulierung der Gefühlswelt deutscher Soldaten zu „einer mutigen und streitbaren Nation zu gehören, in der die Furchtlosigkeit eine Grunddisziplin war“7.↓8 Ein Appell, der im durch und durch militarisierten Kaiserreich, in dem „das Ideal des stolzen Kriegers als eine generationen- und schichtübergreifende Vorstellung“↓9 galt, auf fruchtbaren Boden fiel. In dieser Gesellschaft gehörten „Martialische Kraftausdrücke“↓10, sowie „eine waffenstarrende Rhetorik“↓11 zur öffentlichen Umgangssprache.

Aufgrund der Tatsache, dass das Zitat von Bismarck stammt, zeigt sich der besondere Wert des Satzes für die deutsche Kriegspropaganda. Schließlich wurde der vornehmlich in bürgerlichen und wirtschaftlich einflussreichen Kreisen verehrte so genannte „Eiserne Kanzler“ „postum“ zum „Schutzheiligen der deutschen Truppen“↓12 auserkoren für dessen nationalstaatliches Erbe man in den Krieg zog. Davon zeugen nicht nur Postkarten, sondern ebenso zahlreiche Bildbände und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen anlässlich der Feierlichkeiten zu Bismarcks 100. Geburtstag am 1. April 1915.↓13

Kriegsmotivation im Namen Bismarcks

Die heldenhafte Hervorhebung einzelner Waffengattungen und die damit offensichtlich verbundene gezielte Ansprache von Soldaten schien für BBuOL ein einträgliches Thema gewesen zu sein. Das Unternehmen brachte eine ganze Reihe gleichartiger Motive mit furchtlos auftretenden Soldaten und dem Zitat Bismarcks aus seiner Reichstagsrede auf den Postkartenmarkt. Insgesamt veröffentlichten viele Verlage große Kartenauflagen mit seinem offenbar beliebten Satz.↓14

Durch die häufige Verwendung des Bismarck-Zitats erscheint das Kommunikationsmittel Postkarte wie ein propagandistisches Schlüsselmedium zur kriegsmotivierenden Konstruktion sowie Vermittlung eines Bildes von mutigen, furchtlosen und unbesiegbaren deutschen Soldaten, bereit zum Kampf auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

Heimatgrüße eines Fußartilleristen

Der Verfasser der am 13. Juli 1915 geschriebenen Feldpostkarte war der Kanonier Carl Kumberg (1. Rekrut Depot), des Fußartillerie Regiment Nr.13 (9. Korps), stationiert in Straßburg (Kaiser Wilhelm Kaserne). Adressiert wurde sie an Herrn August Scharnke, einen Gastwirt aus der Kampstraße in Hamburg/ St. Pauli.

Die Postkarte↓15 ist weder frankiert, noch mit einem Poststempel versehen. Es befindet sich lediglich ein Stempel der Einheit des Absenders auf der Karte. Ob die Karte postalisch gelaufen ist, kann leider nicht beantwortet werden. Ein Stempel des Postkartenhauses F. Seidenkohl („F. Seidenkohl, Strassburg, Els., Münsterplatz 5“) lässt auf einen Straßburger Verkäufer schließen, von dem Herr Kumberg die Karte erworben haben könnte.↓16

Bemerkenswert ist die Überschneidung von abgebildeter Waffengattung (Fußartillerie) und der Tatsache, dass Herr Kumberg in eben dieser diente. Da er allerdings in einem eher negativen Ton und nur beiläufig über sein soldatisches Leben in Straßburg berichtet, kann davon ausgegangen werden, dass die Postkarte nicht zwingend aus patriotischer Überzeugung gewählt wurde. Sein Ton deckt sich nicht mit der im Bildmotiv dargestellten Heroisierung, die durch Bismarcks Zitat untermauert werden sollte. Man darf also davon ausgehen, dass Carl Kumberg nicht nur in freudiger Überzeugung in den Krieg gezogen ist.

Rückseite der Postkarte

Rückseite der Postkarte “Fußartillerie”

“Bismarck und Napoleon III.”

Die Postkarte „Bismarck und Napoleon III.“ ist eine „Wohlfahrtskünstler-Postkarte“ des Vereins für Wohlfahrtsmarken, der sich unter anderem der Bekämpfung der Tuberkulose und Säuglingssterblichkeit verschrieben hatte. Vertrieben wurde die Karte vom Galerie-Verlag aus Berlin-Steglitz.↓17 Das vorliegende Motiv ist im Jahr 1900 von Ludwig Putz (1866-1947) angefertigt worden.↓18 Die Zeichnung des österreichischen Künstlers ist einem Ölgemälde des berühmten deutschen Militär- und Schlachtenmalers Wilhelm Camphausen (1818-1885) aus dem Jahre 1878 nachempfunden. Das vorliegende Postkartenbild zeigt den gefangenen französischen Kaiser Napoleon III. (1803-1873) und Otto von Bismarck (1815-1898) bei ihrer Begegnung auf der Straße nach Donchery.↓19

Gemälde von Wilhelm Camphausen

Vorderseite der Postkarte “Bismarck und Napoleon III.”

Der geschlagene Kaiser und der deutsche Kanzler

Auf dem Motiv wird Napoleon III. sitzend in einer offenen Kutsche abgebildet. Im Vergleich zu Bismarck wirkt er wesentlich kleiner und vermittelt durch seine gebeugte Haltung einen unterwürfigen und geschlagenen Eindruck. Zudem werden im linken Bildteil eine Reihe älterer französischer Offiziere präsentiert, die mit gesenkten Köpfen in Richtung Kutsche laufen und einen ähnlich devoten Eindruck vermitteln wie Napoleon III.

Bismarcks Erscheinung steht dieser Darstellung wiederum als kompletter Kontrast entgegen.
Er wird als kräftigster Bildbestandteil hoch zu Ross und mittig im Vordergrund präsentiert. Der Reichskanzler des Norddeutschen Bundes strahlt eine deutliche Überlegenheit aus, die sich in seiner Haltung gegenüber dem französischen Kaiser wiederspiegelt.

Bismarck: Das integrative Symbol deutscher Stärke

Die im Motiv polarisierende Darstellung Bismarcks und Napoleons III. zeigt das Gefühl der nationalen Überlegenheit Deutschlands gegenüber Frankreich auf. Dabei steht Bismarck, in dem vor allem protestantische Bürger und rechtskonservative Kreise „ihre Identität [fanden]“↓20, als „metaphysische Wesenheit“↓21 für Deutschland.↓22 Die genannten Gesellschaftsschichten können als Kernzielgruppe für das Kartenmotiv verstanden werden.

Die aufrechte und starke Gestalt Bismarcks steht letztendlich symbolisch für die deutsche Überlegenheit gegenüber dem sogenannten „Erbfeind”↓23 Frankreich, das in der Person von Napoleon III. und seinen Offizieren schwach und unterlegen dargestellt wird. Vor dem bildthematischen Hintergrund der Kapitulation Napoleons III. bei Sedan wird diese Unterlegenheit noch einmal unterstrichen. Die im Bild zum Ausdruck kommende deutsche Überlegenheit, die auch als Abgrenzung zu verstehen ist, dient der Stärkung des deutschen Gemeinschaftsgefühls, also eines deutschen Nationalgefühls.

Instrumentalisierung einer deutschen Kriegsikone

Nach 1870 gehörte die Darstellung der Begegnung Bismarcks und Napoleons III. zu den berühmtesten nationalen Ikonen des Kaiserreichs.↓24 Das Ölgemälde Camphausens wurde vielfach nachgezeichnet. Obwohl es sich bei dem vorliegenden Bild um kein Propagandamotiv aus dem Ersten Weltkrieg handelt, findet sich in ihm dennoch eine propagandistische Relevanz für diesen Konflikt.

Dadurch, dass die Karte an den bedeutenden deutschen Sieg bei Sedan (1870) erinnert, der letztendlich auch die Entstehung des geeinten Deutschen Reiches begünstigte, ist sie als eine Art Vorhersage oder Ausblick zu werten. Die durch die Person Bismarck versinnbildlichte deutsche Überlegenheit gegenüber den Franzosen wird für die Träger des „Bismarck-Mythos“ zum Motivationsfaktor und Hoffnungsträger auf einen erneuten siegreichen Ausgang im neuen Konflikt.

Eine Dankeskarte aus Rostock

Die vorliegende Postkarte↓25 wurde am 26. Januar 1915 von einem nur mit Vornamen genannten “Kurt” an einen ebenso lediglich als “Adolf” bezeichneten Mann geschrieben. Auf ihr befinden sich weder Briefmarke noch Stempel. Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Karte nicht als solche abgeschickt wurde – und es auch nicht werden sollte. Darauf lässt die Art und Weise der Beschriftung schließen, denn der aus einer Kaserne in Rostock stammende Verfasser betextete die Karte vollflächig und ließ keinen Platz für eine Zieladresse. Ihr Ziel wird die Karte in einem Brief oder durch eine dritte Person gefunden haben, die Adressat und Versender persönlich kannte. Wo sich Adressat Adolf jedoch befand, bleibt ungewiss; leider liefert der Inhaltstext der Karte diesbezüglich auch keinen weiteren Aufschluss.

Der Verfasser bedankt sich für die seitens des Adressaten geschickten Briefe und Zeitungen mit der Bitte, fleißig weitere zu schicken. Er zeigt ein starkes Informationsbedürfnis, doch ob dieses Interesse hinsichtlich der Lage einer Front oder doch eher dem heimischen Umfeld galt wird nicht ersichtlich. Ein Zusammenhang zwischen dem schriftlichen Inhalt und dem Bildmotiv ist nicht vorhanden.

Rückseite der Postkarte

Rückseite der Postkarte “Bismarck und Napoleon III.”

“Kanonen donnern”

Das Motiv “Kanonen donnern” stammt von der Ross-Bromsilber Vertriebs GmbH und wurde im Jahr 1914 auf den Postkartenmarkt gebracht.↓26 Der Verlag wurde am 7. Dezember 1912 von Heinrich Ross (1870-1940) gegründet. Der Firmensitz befand sich in der Alexandrinenstraße 110 in Berlin. In den Jahren 1920 bis 1937 war Heinrich Ross der in Europa führende Verleger von Künstlerpostkarten und Fotos mit Porträts bekannter Filmschauspieler und Filmszenen; zunächst nur für Künstler aus Deutschland, später auch für internationale Filmschaffende. ↓27

Mit nationaler Lyrik, Bismarck und den Geistern der Vergangenheit zum Sieg

Das oben abgebildete Motiv besteht aus drei Teilen: Auf der linken Seite findet sich ein Porträt von Kaiser Wilhelm II. (1859-1941), darunter ein Gedicht, das Otto von Bismarck (1815-1898) gewidmet ist und einen Appell von ihm enthält:

„Kanonen donnern; heiß tobt die Schlacht.
Doch über den Wolken, dräuend geballt,
Der Eiserne Kanzler hält treue Wacht,
Und weithin im Himmel sein Mahnruf erschallt:
Ihr Helden aus Deutschlands Ruhmeszeit,
Von Friedrich dem Großen, von Blücher geführt
Mein Heldenkaiser! Was ich prophezeit,
Kaiser Friedrich und Moltke:
Der Brand ist geschürt!
Die Feinde stürmen sich rings zuhauf;
Doch kühn nimmt’s deutscher Mut und Kraft
Mit einer Welt in Waffen auf,
Bis siegreich endlich Ruhe geschafft!“

Ein weiterer Bestandteil ist die Abbildung von sechs bedeutenden politischen und militärischen Persönlichkeiten aus der preußisch-deutschen Geschichte im oberen Drittel der Postkarte. Das Motiv zeigt den ehemaligen Reichskanzler Otto von Bismarck, Generalfeldmarschall Gebhardt von Blücher↓28 (1742-1819), Kaiser Wilhelm I.↓29 (1797-1888), König Friedrich II., den Großen↓30 (1712-1786), Kaiser Friedrich III.↓31 (1831-1888) sowie Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke↓32 (1800-1891) (Abbildung v.l.). In dieser Szene blickt Bismarck zum Rest der Männer hinüber. Er hält eine Art Ansprache an sie, während er mit dem Zeigefinger in den unteren Bildteil deutet. Alle Personen sind zum Zeitpunkt der Kartenveröffentlichung bereits tot und schweben daher gemeinsam in den Wolken.

Im unteren Bereich des Bildes überquert eine große Kolonne deutscher Soldaten, zu erkennen an den Pickelhauben, mit Geschützen, Transportfahrzeugen, Fluggerät eine Brücke, die über den Rheinführt. Dies ist der dritte Bestandteil der Postkarte, auf den Bismarck aus dem oberen Bildbereich der Postkarte hindeutet.

Bismarck: Prophet, Schutzpatron und Instrument zur Profilierung des Kaisers 

Im Zentrum der Propagandakarte steht das Zusammenspiel der drei Kartenbestandteile; die Instrumentalisierung Bismarcks bildet dabei den Mittelpunkt. In dem Gedicht wird Bismarck in den Dienst der Massenmobilisierung und der Profilierung Wilhelms II. gestellt. Die Vermittlung des bevorstehenden Krieges als „Prophezeiung“ durch die  Integrationsfigur Bismarck sollte die gravierende Bedeutung und Unausweichlichkeit des bevorstehenden Kampfes breitenwirksam glaubhaft machen. Dass der Reichskanzler im Himmel „treue Wacht“ hält, sollte Zuversicht und die Hoffnung erwecken, dass sein „Geist“ den deutschen Soldaten als moralische Stütze zur Seite stünde.

In den letzten vier Zeilen des Gedichts wird Wilhelms II. Stellung als Führungspersönlichkeit profiliert. Die Verfasser lassen hier Bismarck direkte Bezüge auf die Rede Wilhelms II. vom 6. August 1914 nehmen. In dieser Rede richtete der Kaiser einen emotionalen Aufruf an das deutsche Volk, sich entschlossen den Feinden zu stellen, die Deutschland „[m]itten im Frieden”↓33 überfallen hätten. Damit waren Frankreich, Russland und Großbritannien gemeint.

Im Gedicht wird von Feinden gesprochen, die „rings zuhauf“ heranstürmen. „Doch kühn nimmt’s deutscher Mut und Kraft”, so die konstruierten Worte Bismarcks: „Mit einer Welt in Waffen auf, Bis [sic!] siegreich endlich Ruhe geschafft!“
In der Rede des Kaisers heißt es fast deckungsgleich: „Und wir werden diesen Kampf bestehen, auch gegen eine Welt von Feinden. Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Ross.”↓34

Die Tatsache, dass Bismarck die Aussagen des deutschen Kaisers fast wortgenau an die sogenannten „Helden aus Deutschlands Ruhmeszeit“ wie Friedrich den Großen, Blücher, Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich III. und Moltke richtet, vermittelt den Eindruck, als ob der Reichskanzler ihnen die nunmehrige Führerschaft Wilhelms II. verkündet. Für die Betrachter der Postkarte bedeutete das ein unmissverständliches Hervorheben der Vertrauenswürdigkeit des Kaisers, der zu Beginn des Krieges  bei den vorwiegend aus dem Bürgertum stammenden Bismarckverehrern aufgrund seines  „persönlichen Regiments“↓35 auch kritisch angesehen wurde.↓36

Dadurch, dass Bismarck Wilhelm II. gewissermaßen “zitiert”, bezeugt er gegenüber den deutschen Kaisern, Königen und Generälen, die alle zusammen in erfolgreichen Kriegen gegen Frankreich gekämpft haben, seine Überzeugung, dass es ihnen Wilhelm II. in seiner mutigen und entschlossenen Manier gleich machen werde und den bevorstehenden Aufgaben des Krieges in allen Belangen gewachsen sei.

Wilhelm II. erhält die Unterstützung Bismarcks, der legitime Anführer im neuen Krieg gegen Frankreich zu sein. Ein Anführer, der alle nötigen Eigenschaften mitbringt, um in die exklusive Tradition der abgebildeten deutschen „Helden” zu treten. Der Fingerzeig Bismarcks auf die über den Fluss ziehenden deutschen Truppen und deren Marschrichtung gen Westen (d.h. in Richtung Frankreich) verstärkt diesen Eindruck.

Die zweite Rheinüberquerung

Der Krieg wird bildlich in eine Analogie zur Rheinüberquerung von Generalfeldmarshall von Blücher während der sogenannten Befreiungskriege gestellt. Im Zuge dieses Konflikts überquerten preußische Truppen im Januar 1813 den Rhein und kämpften anschließend bis zur Eroberung von Paris.↓37 Der Glaube und die Zuversicht daran, dass der neue Krieg gegen Frankreich unter der Führung Wilhelms II. ebenso siegreich ausgehen würde, ist der zentrale Aspekt, der durch diese Analogie gestützt wird.

Gemälde der „Rheinüberquerung“ von Wilhelm Camphausen (1818-1885)

Gemälde der „Rheinüberquerung“ von Wilhelm Camphausen (1818-1885)

Feldpostvorbereitungen in Hohenlimburg

Die Postkarte↓38 stammt von einer Frau namens Anna und wurde an Frau Änne Kallerhoff in Hohenlimburg adressiert. Postalisch gelaufen ist die Karte gemäß Stempel am 24. September 1914. Die Verfasserin schreibt über eine Zigarrensendung an einen Mann namens Fritz und richtet den Vorschlag an Frau Kallerhoff, einen Brief zu schreiben, den sie dann zusammen mit etwas Schokolade an den besagten Fritz schicken kann. Ob es sich bei diesem um einen verwandten Frontsoldaten oder zivilen Freund handelt, wird inhaltlich leider nicht deutlich. Eine zwingende Verbindung zwischen Text und Bildmotiv lässt sich nicht erschließen.

Rückseite der Postkarte

Rückseite der Postkarte “Kanonen donnern”

Fußnoten:

1: Vgl.: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Heidelberg 2014, S.227.

2: Vgl.: Ebd., S.227-230.

3: Vgl.: Mirko-Ansichtskarten. In: http://www.mirko-ansichtskarten.de/index.php?cPath=76_217&SESS=366031e60371bc3242b9f3eb551af81a – Letzter Zugriff: 18.02.2015 – 14 Uhr.

4: Vgl.: Pflanze, Otto: Bismarck. Der Reichskanzler, München 1998, S.518-519.

5: http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt3_k7_bsb00018648_00043.html – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

6: Ebd.

7: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S.229.

8: Vgl.: Ebd., S.229.

9: Morgenstern, Ulf: Im Zenit und vor dem Zerfall: Die Gesellschaft des späten Kaiserreiches. In: Scheele, Friedrich/Seggern, Andreas von: Sehnsucht nach dem Krieg? Am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Oldenburg 1913, Oldenburg 2013, S.33.

10: Morgenstern, Im Zenit vor dem Zerfall, S.33.

11: Ebd., S.33.

12: Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.37.

13: Vgl.: Ebd., S.35-37.

14: Vgl.: May: Mythos auf Postkarten, S.230.

15:
[Von:] Kan. Carl Kumberg (1. Rekrut depot), Fuss. Art. Rgt N.13. Strassburg, Kaiser Wilh. Kaserne, 9. Korp
[An:] Herrn August Scharnke (Gastwirt), Hamburg St. Pauli, Kampstraße
Straßburg d. 13/7 0/15 Werther August! Endlich komme ich dazu dir meinen besten Dank zu übermitteln das du mich mit nach der Bahn gebracht hast, hat mich sehr gefreut. Nun bin ich schon 8 tage hier nun habe ich mich schon bald eingelebt. aber aber Soldatenleben Nun lieber August grüsse bitte alle Bekannte von mir auch seist du lieber August sowie deine liebe Frau vielmals gegrüsst. v. Carl Kumberg.

16: Hinweis auf Existenz von „F.Seidenkohl“ als Postkartenhaus unter: Vintagepostcards-Archive. In: http://vintagepostcards-archive.com/ak-33382.html – Letzter Zugriff: 19.02.2015 – 22 Uhr.

17: Leider konnten bisher keine nennenswerten Informationen über den Berliner Galerie-Verlag gefunden werden.

18: Vgl.: Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher. In: http://www.zvab.com/buch-suchen/autor/galerie- verlag-steglitz-berlin-hrsg – Letzter Zugriff: 15.02.2015 – 17 Uhr; Artnet. In: http://www.artnet.de/k%C3% BCnstler/ludwig-putz/auktionsresultate – Letzter Zugriff: 15.02.2015 – 17 Uhr.

19:
„Das Treffen fand kurz nach der Niederlage der Franzosen bei Sedan (02.09.1870) statt. Der
gefangengenommene Kaiser Napoleon III. befand sich auf dem Weg zum preußischen König Wilhelm I. (1797-1888) um eine Milderung der Friedensbedingungen zu erreichen. Der preußische General v. Moltke (1800-1891) verhandelte zu diesem Zeitpunkt in Donchery mit französischen Generalen über die Entwaffnung und Gefangennahme der französischen Armee. Bismarck gab Napoleon III. zu verstehen, dass der König für eine Unterredung zu weit entfernt war und diese nur mit ihm erfolgen konnte. Im anschließenden Gespräch konnte Napoleon III. keinen Kompromiss erzielen. Die Friedensbedingungen blieben unverändert und somit mussten 104.000 französische Soldaten, sowie Napoleon III. den Weg in die deutsche Kriegsgefangenschaft nach Kassel-Wilhelmshöhe antreten.” (Vgl.: May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim
2014, S.48-51.)

20: Studt: Das Bismarckbild der deutschen Öffentlichkeit (1898-1998), Friedrichsruher Beiträge Band 6, Otto-von Bismarck-Stiftung 1999, S.10.

21: Ebd., S.10.

22: Vgl.: Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.25; Studt: Bismarckbild, S.10.

23: Gerwarth: Bismarck-Mythos, S.37.

24: Beleg von Hr. Morgenstern folgt !!

25:
Rostock, 26. I. 15. Lieber Adolf. Habt Dank für deinen Brief. Hier in der Kaserne hört man garnichts (sic!) von Sendungen. Alles erfahre ich durch die von Euch geschickten Zeitungen. Schickt immer fleißig weiter. Die letzte Ansichtskarte habe ich erhalten. Hab ich mich dafür nicht bedankt, so nimm es mir nicht übel. Viel (?) Schreibt recht oft. Gruß Kurt         

26: Vgl.: Staatsbibliothek-Berlin.de. In: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN767489918&PHYSID=PHYS_0001 – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

27: Vgl.: Postkarten-Archiv.de. In: http://www.postkarten-archiv.de/ross-rotophot-und-film-sterne-verlag.html – Letzter Zugriff: 20.02.2015 – 12 Uhr.

28:
„Generalfeldmarshall von Blücher war der Oberbefehlshaber der preußischen Truppen in den sogenannten Befreiungskriegen (1813-1815). In diesem Konflikt führte er die preußische Armee im Januar 1813 über den Rhein bis zur Eroberung von Paris im März 1814. Durch sein Eingreifen in die Schlacht von Waterloo (Sommer 1815) konnte Napoleon I. (1769-1821) endgültig besiegt und anschließend auf St. Helena im Südatlantik verbannt werden.“ (Vgl.: Krause, Arnulf: Der Kampf um die Freiheit. Die Napoleonischen Befreiungskriege in Deutschland, Darmstadt 2013, S.286-288 u. 302-303).

29:
„Der preußische König Wilhelm I. wurde nach dem Krieg gegen Frankreich (1870-1871) am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles zum 1. Deutschen Kaiser gekrönt.“ (Vgl.: Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871, Die Neue Deutsche Geschichte (Band 7), München 1995, S.427-428).

30:
„Kaiser Friedrich II. der Große etablierte Preußen während des verlustreichen „Siebenjährigen Krieges“ (1756-1763) als europäische Großmacht im Kampf gegen Österreich, Russland, Frankreich und Schweden.“ (Vgl.: Füssel, Marian: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2012, S.90; Schmidt, Georg: Wandel durch Vernunft. Deutschland 1715-1806, Die Neue Deutsche Geschichte (Band 6), München 1995, S.161).

31:
„Friedrich III. war der 2. Deutsche Kaiser (Sohn von Wilhelm II.). Er starb bereits 99-Tage nach seiner Thronbesteigung und wurde folgend „99-Tage Kaiser“ genannt. In den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870-71) erwies sich Friedrich III. als talentierter und erfolgreicher Befehlshaber verschiedener preußischer Armeen.“ (Vgl.: Müller, Franz Lorenz: Der 99-Tage-Kaiser. Friedrich III. von Preußen. Prinz. Monarch. Mythos, München 2013, S.9 u. S.178-180).

32:
„Generalfeldmarshall von Moltke hatte in den Kriegen gegen Österreich (1866) und Frankreich (1870-71) den Oberbefehl über die preußischen Streitkräfte. Der aus preußischer Sicht positive Ausgang dieser Konflikte wird eng mit seiner Person verknüpft.“ (Vgl. Herre, Franz: Moltke. Der Mann und sein Jahrhundert, Stuttgart 1984, S.229, S.284 u. S.329).

33: Deutsches Rundfunkarchiv. In: http://www.dra.de/online/dokument/2006/november_transkript.html – Letzter Zugriff: 04.10.2015 – 16Uhr. Unter diesem Link ist die gesamte Rede Kaiser Wilhelms II. vom 06. August 1914 als Transkript zu lesen.

34: Ebd..

35:
„Mit dem „persönlichen Regiment“ ist Kaiser Wilhelms II. eigener Anspruch zu verstehen, die deutsche Politik in allen Belangen als Kaiser von „Gottes Gnaden“ selbst bestimmen zu wollen. (Vgl.: Hull, Isabel V.: Persönliches Regiment. In: Röhl, John C.G. (Hg.): Der Ort Kaiser Wilhelms II. in der deutschen Geschichte, Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 17, München 1991, S.3-4).

36: Vgl.: Hering, Rainer: Dem besten Steuermann Deutschlands. Der Politiker Otto von Bismarck und seine Deutung im radikalen Nationalismus zwischen Kaiserreich und Drittem Reich, Friedrichsruher Beiträge (Band 26), Otto-von-Bismarck-Stiftung 2006, S.24; Gerwarth, Robert: Der Bismarck-Mythos. Die Deutschen und der Eiserne Kanzler, München 2007, S.24.

37: Vgl.: Krause: Kampf um die Freiheit, Darmstadt 2013, S.286-288.

38:
Frau Änne Kallerhoff, Hohenlimburg, Langenkamzstrß. 4.
Liebe Änne! Teile Dir eben mit, dass ich Fritz schon den Inhalt des Paketes mitgeteilt hatte, nämlich bei den Zigarren, hoffentlich kommen die an denn es waren gute ich hatte 10 u. 12 Pfg angelegt es waren 15 St. E. A. wie wäre es wenn Du einen Brief schriebest u. ihn mir nachschickst, dann kann ich ihn ja Sonntag mit zu den Stufen tun, du kannst ihn ja fertig ohne Kuvert tun, den ganzen Brief dann in ein größeres u. dann nach hier schicken
Vorderseite:
ich lege ihn dann nur mit ins Paketchen ich will dann auch wieder etwas Schokolade mit schicken. Grüße an alle, Anna

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http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=22 0
Der Bismarck-Mythos auf Postkarten http://bismarckmythos1915.de/?p=311 http://bismarckmythos1915.de/?p=311#comments Wed, 15 Jul 2015 13:39:55 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=311 „Am 20. März 1890 wurde Otto von Bismarck als Kanzler des Deutschen Reiches und Preußischer Ministerpräsident entlassen“.↓1 Ein großes Bedauern in der Öffentlichkeit über die Entlassung des Kanzlers war nicht zu vermerken. Das änderte sich jedoch mit fortschreitender Zeit, denn je länger die Entlassung Bismarcks zurücklag und je mehr Kritik am „neuen Kurs“ der Innen- und Außenpolitik geäußert wurde, desto größer wurde die Hochachtung vor Bismarck. Ein entscheidender Faktor für die Wandlung des Bismarckbildes in der Öffentlichkeit war die verbreitete Ablehnung der Politik seines Nachfolgers Leo von Caprivi.↓2 Ebenfalls richtete sich die Kritik der Öffentlichkeit gegen das Regiment des Kaisers Wilhelm II.↓3 Dieser Stimmungswandel führte zu einer „beispiellosen Verehrung“↓4 Bismarcks in der Öffentlichkeit, die sich nach seinem Tod am 30. Juli 1898 verstärkte.↓5 Denkmäler, Bismarcktürme und viele andere Ehrenmale wurden eingeweiht, um an Bismarck zu erinnern und ihn zu ehren.

Als Deutschland im August 1914 in den Krieg zog, wurde der Bismarck-Mythos „fester Bestandteil der Kriegspropaganda“.↓6 Besonders Postkarten und Münzen waren bestens dazu geeignet, Bismarck als Symbolfigur darzustellen und um den Mythos um ihn weiter zu reproduzieren. Die Postkarte wurde in Massen hergestellt, dies war optimal für die Verbreitung des Mythos. Die Bismarck-Mythisierung mit ihm als Symbolfigur war wirkmächtig, da viele der ihm zugesprochenen Charaktereigenschaften instrumentalisiert wurden, um die Bedürfnisse und Sehnsüchte in der gesamten Bevölkerung zu stillen. Dabei stehen viele Wesensarten und Tätigkeiten in Korrelation zu einander, wie beispielsweise „Deutschtum“ und „Preußentum“ oder „Bismarck als Staatsmann“ und „Bismarck als Zivilperson“, dementsprechend konnte der Mythos auf viele Menschen in der Bevölkerung projiziert werden.

„Bismarck in Uniform“

Bismarck in Uniform

Bismarck in Uniform

Diese Karte wurde vom G.O.M. Verlag herausgegeben. Es ist die Postkarte Nummer: 2232. Sowohl zum Verlag als auch zum Künstler finden sich keine Angaben.

Die Bildseite der Postkarte zeigt ein Portrait Otto von Bismarcks in seiner Kürassieruniform. Die Karte wurde vorwiegend in hellen Tönen gedruckt. Es ist eine feierliche Postkarte aus Anlass des 100. Geburtstags des Altkanzlers (1815- 1915). Direkt unter dem Portrait wurden das Eichenlaub und die Lorbeeren platziert. Diese werden von einer schwarz-weiß-roten Schleife, die offiziellen Farben der deutschen Flagge, zusammengehalten. Die Karte wird zudem durch ein Zitat von Bismarck und durch seine Unterschrift verziert: „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt“.

Auf Postkarten wurde der erste Teil des Zitates aus seiner Reichstagsrede im Jahre 1888 für die Kriegspropaganda instrumentalisiert: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt“. Der zweite Teil des Zitates: „Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt“- blieb dabei wohlweislich unerwähnt; wie schon seit Bismarcks Reichstagsrede vom Februar 1887.↓7 Denn dieser Teil enthält Wörter wie “Furcht” und “Frieden”, die nicht unbedingt als Kriegs-Propaganda funktionieren. Zu Beginn des Krieges wurde Bismarck als militärische Führungsperson dargestellt, um Kampfbereitschaft und Siegesgewissheit zu suggerieren.↓8 Denn am Anfang des Krieges waren die Menschen voller Zuversicht, dass der Krieg mit dem Sieg Deutschlands enden würde, wie der Deutsch- Französische Krieg von 1870/71.

Bismarcks 100. Geburtstag fiel in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Es fehlte das Geld, um teure Denkmäler in der üblichen Art einzuweihen.↓9 Dementsprechend mussten Druckerzeugnisse, zu denen auch die Postkarte gehörte, herhalten, „um die Siegeszuversicht zu erhalten“.↓10 Diese Karte wurde ebenfalls zum Jubiläum in Auftrag gegeben. Auf vielen Postkarten prägten sein Konterfei und Zitate das Bild, um den Fokus gänzlich auf Bismarck zu lenken, wie auch auf dieser Karte. Auf Anton von Werners Gemälde von der Kaiserproklamation des Wilhelm I. im Jahre 1871, trug Bismarck ebenfalls die Kürassieruniform. Im Gemälde richtete die weiße Uniform ebenso den Fokus auf Bismarck.

Die Postkarte ist sehr „festlich“ und in hellen und „freundlichen“ Farben verziert. Das Eichenlaub und die Lorbeeren in Mitten der Postkarte versinnbildlichen sowohl traditionelle als auch antike Machtsymbole. Im antiken Griechenland und Rom war die immergrüne Farbe der Lorbeeren ein Zeichen für Unsterblichkeit und die Symbolik der Lorbeeren stand für den Sieg und für den Erfolg. Diese Symbolik gilt auch für das Eichenlaub, die zusätzlich als „deutscher“ Baum das Gefühl von nationaler Einheit demonstriert. Die Unterschrift Bismarcks suggeriert etwas Persönliches und etwas Echtes.

Die Rückseite der Postkarte ist unbeschrieben.

„Bismarck als Privatmann“

Bismarck als Privatmann

Bismarck als Privatmann

Raphael Tuck and Sons series „Bismarck” No. 529. Hoflieferant des englischen Königshauses. Raphael Tuck wurde in Koschmin bei Breslau geboren und wanderte im Jahre 1865 mit seiner Familie nach England aus. Dort gründete er einen Verlag für Glückwunsch- und Kunstpostkarten.

Die Bildseite der Postkarte zeigt Bismarck im fortgeschrittenen Alter als Portrait gezeichnet, ebenso wurde er auf dieser Karte in privater Kleidung und nicht uniformiert dargestellt. Die Postkarte trägt die Signatur des Künstlers „Willi Scheu[er]“.

Da Bismarck als ältere und private Person veranschaulicht wird, sind seine Gesichtszüge weicher und dezenter sind als auf anderen Karten. Dementsprechend suggeriert diese Karte ein väterliches oder großväterliches Erscheinungsbild. Bismarck wurde zu Beginn des Krieges überwiegend als uniformierte, militärische Führungsperson dargestellt.↓11 Damit sollte die Moral und der Kampfgeist der Soldaten bestärkt werden. Diese Postkarte wurde jedoch von einem englischen Verlag in Auftrag gegeben, diese hatten kein Interesse den Kampfgeist der deutschen Soldaten zu fördern. Ebenso hatte Bismarck im Ausland ein diplomatisches Ansehen, das nicht unbedingt militärischer sondern eher politischer Natur war. Der Fokus dieser Karte liegt auf Bismarck als einzelner Person, dementsprechend werden keine Soldaten oder Kriegsgeräte dargestellt. Die Entscheidung für dieses Motiv könnte mit der Publikumserwartung des  ausländischen Verlages zusammenhängen.

Die Rückseite der Postkarte

Die Rückseite der Karte zeigt den Firmennamen, das Wappen des englischen Königs und kurze biografische Angaben über Bismarck, die auf Deutsch geschrieben wurde.

 

 

Die Adresszeile:

Der Absender dieser Postkarte war eine Frau namens Lilly. Die Karte wurde auf Mittwochabend den 3. April 1918 um 8 3/ 4 Uhr in Hamburg datiert. Der Empfänger war der Kanonier Walter Pläge. Die Karte wurde als Feldpost in das Feld- Artillerie Regiment 56., 2. Abteilung, 4. Batterie nach Posen geschickt.

 

Handschriftliche Mitteilung:

„Mein Lieb! Es sendet dir ganz innige Grüße und Küsse dein kleiner Liebling Lilly“

 

Bismarck als „väterlicher Beschützer”

Die Verfasserin dieser Postkarte, hat sich für ein nichtmilitärisches Motiv entschieden, obgleich die Karte als Feldpost in Zeiten des Krieges geschickt wurde. Die Karte instrumentalisiert Bismarck als väterliche oder großväterliche Person, die Liebesgrüße an den Ehemann oder den Lebensgefährten überbringen sollte. Diese könnte ebenfalls eine beschützende Funktion gehabt haben.

Kriegsereignisse an der Ostfront

Der Kanonier Walter Hägl wurde an der Ostfront in Posen stationiert. Am 3. März 1918 in der Stadt Brest- Litowsk unterzeichnete eine revolutionäre russische Delegation einen Friedensvertrag mit Deutschland.↓12 Beflügelt durch den Erfolg an der Ostfront wollte General Erich Ludendorff mit Großoffensiven im Frühjahr und Sommer 1918 ebenso an der Westfront den Durchbruch erzielen. Somit musste ebenfalls auf die im Osten stationierten Divisionen zurückgegriffen werden. Der Beginn der ersten Offensive am 21. März 1918 hatte eine erhebliche Zuversicht bei den Soldaten geweckt.↓13 Diese Mobilisierungswirkung brachte den kriegsmüden Soldaten den „Geist von 1914“ zurück, um endlich durch einen Sieg den ersehnten Frieden zu erreichen.↓14

„Hindenburg, Bismarck und Kaiser Wilhelm II.“

Hindenburg, Bismarck und Kaiser Wilhelm II.

 

Zum Verlag und zum Künstler finden sich keine Angaben.

Die Bildseite der Postkarte zeigt ein kleines Mädchen, dass ein großes Portrait von General von Hindenburg küsst. Das Portrait ist von schwarz-weiß-roten Schleifen geschmückt. Auf der Seite des Portraits ragt das Eichenlaub hervor. Auf der Kommode sind zwei kleine Portraits, das eine ist eine Darstellung von Bismarck und das andere von Kaiser Wilhelm II. Ebenfalls auf der Kommode ist ein kleiner Rosenstrauch, der mit einem schwarz-weiß-roten Banner verziert wurde. Auf dem Stuhl befinden sich drei Puppenmarionetten von Soldaten der Entente-Mächte.

Auf dieser Karte küsst das Mädchen General Hindenburg und schenkt ihm zu seinen Ehren Blumen. Der Fokus liegt in der Darstellung Hindenburgs, denn die Bilder von Bismarck und Kaiser Wilhelm II. sind eher kleiner. Auf dieser Karte wird Hindenburgs steigende Beliebtheit deutlich. Der Sieg der deutschen Truppen an der Ostfront über die russischen Streitkräfte bei der „Schlacht von Tannenberg“ vom 26. bis 30. August 1914 machten den Oberbefehlshaber der 8. Armee Paul von Hindenburg und seinen Generalstabschef Erich Ludendorff zu „beinahe ungreifbare(n) Nationalhelden“.↓15 „Ab August 1916 sollten Hindenburg und Ludendorff, als „Doppelspitze“ mit militärischem Geschick, den Kriegsverlauf Deutschlands prägen.↓16 Hindenburg hatte eine erfolgreiche, traditionell-militärische Laufbahn durchlaufen, stammte aus altem Adel und war „zutiefst“ konservativ.↓17 Die Instrumentalisierung Bismarcks wird durch Hindenburg in dieser Traditionslinie ergänzt, dementsprechend eignet er sich durch seine steigende Beliebtheit ebenso gut wie Bismarck für Propaganda.

Die Karte ist durch Schleifen und Banner in Schwarz-weiß-rot verziert, was einen „festlichen“ und„nationalen“ Charakter darstellt. Die Spielzeugmarionetten sind in französische, deutsche und englische Uniformen gekleidet. Das Kind, welches mit den Soldaten spielt und diese wie Marionetten behandelt, könnte als Germania interpretiert werden. Ebenso könnte die kindliche Darstellung Hindenburgs Beliebtheit im ganzen Volk interpretieren und nicht nur bei den Soldaten. Das Eichenlaub symbolisiert traditionelle Macht und suggeriert Sieg und Erfolg.

Die Rückseite der Postkarte

Auf der Rückseite der Postkarte steht: „ O du mein Hindenburg“ gedruckt.

 

 

 

Die Adresszeile:

Der Empfänger dieser Karte war: Werhm Mertens, 17. Reserve Armeekorps, 85. Landwehr Division, Landsturm Infanterie Regiment 61., II. Bataillon, 5. Kompanie, Generalgovernement Graudenz, im Osten zur Zeit im Felde. Kray 17.4.16

 

Handschriftliche Mitteilung:

„Lieber Albert. Herzl. Ostergrüße sendet dir Wilhelm & Dina. Wie geht es dir denn, hoffentlich noch sehr gut welches Du auch von uns erwarten kannst. Hoffentlich Kommst Du recht bald wieder. Nochmals Gruß dein Kousin

Wilhelm & Bernadine“.

 

Die Verehrung Hindenburgs

Diese Postkarte wurde an ein Familienmitglied von einem Cousin geschickt und übermittelte Ostergrüße. Der Verfasser hat sich für ein Hindenburg-Motiv entschieden. Der Fokus dieser Karte liegt in der Verehrung Hindenburgs und könnte etwas sein, was diese Familie miteinander verbindet. Es ist sowohl möglich, dass die Verehrung generationsübergreifend ist oder von der gleichen Generation geteilt wurde. Da das Familienmitglied sich auf dem Schlachtfeld befindet, drückt der Inhalt dieser Karte nicht nur Grüße und den Wunsch nach Wohlergehen von der Familie aus, sondern auch Nationstreue und Siegeszuspruch für die Soldaten.

Wirkmächtige Kriegspropaganda

Hindenburg in seiner Uniform war ein sehr wirkmächtiges Propaganda Objekt, sowohl für den Verfasser, als auch für den Soldaten auf dem Schlachtfeld. Denn durch hohe Verluste und die Niederlagen an der Westfront, wurde auch der Wunsch nach dem Wohlergehen der Soldaten an der Ostfront verstärkt. So wurden durch die Ablösung von General Falkenhayn durch Hindenburg und Ludendorff die Siegeszuversicht und die Moral der Soldaten an beiden Fronten gesteigert.

Kleine Einleitung: Tradition/ Traditionslinie

Das „Nicht- Erreichen“ der militärischen Ziele hatte dem Bismarck- Mythos offenbar nicht geschadet. Im Gegenteil, der Mythos wurde weiterhin für Propagandazwecke verwendet.18 In Bismarcks Traditionslinie kamen jedoch neue Akteure hinzu. So wurde in dieser Zeit der erfolgreiche General Hindenburg häufig neben Bismarck auf Postkarten platziert. Hindenburg, dessen körperliche Gestalt der von Bismarck sehr ähnelte, avancierte zum beliebten Nachfolger der Propaganda. Er bekam immer mehr Raum auf den Darstellungen der Postkarten.↓19 Bezüglich der Zitate auf den Karten hatte sich jedoch nichts geändert. Bismarcks Ausspruch, „wir Deutsche(n) fürchten Gott, sonst nichts in der Welt“ war und blieb die populärste Kriegsparole.↓20 Kaiser Wilhelm II. wurde ebenfalls mit dem Bismarck- Spruch dargestellt. Der Konflikt zwischen beiden Männern geriet in Vergessenheit, und es wurde auf den Postkarten eine Einheit suggeriert, die niemals vorhanden war.↓21

↓Fußnoten:

1. Gerwarth, Robert: Der Bismarck- Mythos; Die Deutschen und der eiserne Kanzler, München 2007, S. 21.
2. Ebd., S. 22.
3. Ebd., S. 23.
4. Althammer, Beate: Das Bismarckreich 1871- 1890, Paderborn 2009, S. 248.
5. Ebd., S. 248.
6. Gerwarth, Robert: Der Bismarck- Mythos; Die Deutschen und der eiserne Kanzler, München 2007, S. 36.
7. Althammer, Beate: Das Bismarckreich 1871- 1890, Paderborn 2009, S. 221.
8. Ebd., S. 213.
9. May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S. 221.
10. Ebd., S. 221.
11. May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S. 213.
12. Bruendel, Steffen: Ideologien: Mobilmachung und Desillusionierungen, in: Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch, Niels Werber, Stefan Kaufmann (Hrsg.) u.a., Stuttgart 2014, S. 308.
13. Bruendel, Steffen: Ideologien: Mobilmachung und Desillusionierungen, in: Erster Weltkrieg Kulturwissenschaftliches Handbuch, Niels Werber, Stefan Kaufmann (Hrsg.) u.a., Stuttgart 2014, S. 308.
14. Ebd., S. 308.
15. Ebd., S. 177.
16. Ebd., S. 177.
17. Ebd., S. 177.
18. May, Otto: Bismarck und sein Mythos auf Postkarten, Hildesheim 2014, S. 224.
19. Ebd., S. 226.
20. Ebd., S. 227.
21. Ebd., S. 228.

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Nation & Bismarck http://bismarckmythos1915.de/?p=350 http://bismarckmythos1915.de/?p=350#comments Tue, 14 Jul 2015 05:56:28 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=350 Bei der Betrachtung der folgenden drei Postkarten soll ein etwas anderer Schwerpunkt gesetzt werden, ohne dabei jedoch die eigentliche Fragestellung aus den Augen zu verlieren. In welchem Verhältnis standen Bismarck und seine symbolische Bedeutung zu einem nationalen Diskurs über die Nation und welche Rolle spielten diese Bilder? Dafür bedarf es einiger theoretischer Vorüberlegungen.  Zur weiteren Vertiefung in diesen Themenkomplex wird die aufgeführte Literatur empfohlen.

Damit sich eine Gruppe respektive eine Nation bilden kann, bedarf es der Klassifikation von Eigenschaften dieser Gruppe. Die Mitglieder dieser Gruppe schreiben sich selbst bestimmte Eigenschaften zu und definieren so was es heißt Teil der Gruppe zu sein. Zygmunt Baumann schreibt dazu, dass das Klassifizieren aus den Handlungen des Einschließens und des des Ausschließens besteht.↓1 Das heißt, die Welt wird aufgeteilt in ein „Innen“ und ein „Außen“, wobei das „Innen“ alles/alle einschließt die eben diese spezifischen Eigenschaften teilen und das „Außen“ alles/alle Übrigen, die dies nicht tun. Wenn sich eine Gruppe von Menschen beispielsweise selbst die Eigenschaften Stärke, Mut und Tapferkeit zuschreibt und dies unter der Bezeichnung „deutsch“ zusammenfasst, ist gleichzeitig gegeben, dass eine Person die nicht „deutsch“ ist auch nicht diese Eigenschaften besitzt.

Im Prinzip lässt sich das Schema Innen-Außen in das Schema Freund-Feind übertragen.↓2 Mit der Einteilung in Freund und Feind schafft man einen Handlungsrahmen, in dem nicht die Beziehung zwischen zwei Individuen von Bedeutung ist, sondern zwischen zwei „Klassen“, zwischen zwei mit festen Eigenschaften definierten Gruppen. So wird die Notwendigkeit der individuellen Auseinandersetzung mit dem Gegenüber aufgelöst und es entsteht ein universal einsetzbares Handlungsmuster zur Interaktion mit dem „Außen“.↓3 Dabei geht die Feindschaft für das „Innen“ nicht von sich selbst aus, sondern entsteht weil das „Außen“ die selbst zugeschriebenen Eigenschaften nicht teilt.

Es ist wichtig festzuhalten, dass dieses Herausbilden von „Innen-Außen“ beziehungsweise Freund-Feind nicht zwangsläufig auf einen Impuls einer herrschenden Macht hin geschieht, sondern ein kommunikativer Prozess innerhalb eines gemeinsamen Sprach- und Kulturraumes ist.↓4 Dieser Prozess befindet sich in stetigem Fluss und hat keinen fixen Endpunkt. Um eine Nation zu konstruieren bedarf es zusätzlich einer gemeinsamen Vergangenheit, einer gemeinsamen Gegenwart und einer gemeinsam angestrebten Zukunft.↓5 Oftmals benutzen Nationalstaaten diese […] gemeinsame historische Erinnerung […]“↓6 und die „[…]gemeinsame Bestimmung[…]“↓7 um Widersprüche im Innern aufzulösen und eine natürlich erscheinende Einheit herzustellen. Eine Nation ist demnach nicht mehr als eine, von einer Gruppe von Menschen durch Kommunikation hergestellte, kollektive Identität.

Postkarte: “Histoire Sans Parole”

Bei der vorliegenden Postkarte handelt es sich um ein französisches Fabrikat, welches vom Verlag Edition F.A.R.B. aus Annamasse (Hte. Savoie) herausgegeben wurde. Da die Karte selbst über keine Datierung verfügt, kann zum Jahr ihrer Entstehung keine genaue Angabe gemacht werden. Aufgrund des abgebildeten Motivs liegt jedoch die Annahme nahe, dass sie kurz vor, oder wahrscheinlicher, kurz nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs gedruckt wurde.

Das Motiv selbst ist ein Schwarzweißdruck im Querformat. Es besteht aus Karikaturen diverser Charaktere, die allesamt eine europäische Nation darstellen sollen. Oben links steht der Titel der Karte „Histoire Sans Parole“. Die Charaktere sind um eine Art „Hau-den-Lukas“-Spiel versammelt, wobei zwei Köpfe als Schlagpunkte dienen. Am oberen Ende des „Hau-den-Lukas“-Spiels befinden sich zwei Schilder. Auf dem Linken dieser Schilder steht „Vienne“ und auf dem Rechten „Berlin“. Jede der Figuren, bis auf die ganz rechts, hält einen großen Hammer in den Händen. Während zwei der Figuren damit beschäftigt sind mit den Hämmern auf die beiden Köpfe einzuschlagen, stehen die Anderen drumherum und warten darauf bis sie an der Reihe sind. Über alledem erscheint Bismarck strahlend und mit ausgebreiteten Armen aus den Wolken. Die Rückseite der Karte ist nicht beschriftet.

Bismarck als Übervater?

Bismarck als Übervater?

Die Benennung der verschiedenen Charaktere zu einzelnen Nationen soll der Einfachheit halber von links nach rechts erfolgen. Als Erstes muss jedoch erwähnt werden, dass die Benennung rein Aufgrund der äußerlichen Merkmale und charakteristischen Überspitzungen erfolgt und nicht weiter ausgeführt wird. Sie erhebt dabei keinen absoluten Richtigkeitsanspruch, den dies spielt für die interpretatorische Ebene nur bedingt eine Rolle. Als Zweites muss klargestellt werden, dass es bei der Betrachtung nicht um die Rolle der einzelnen Nationen in diesem Zusammenhang geht, sondern um die Rolle die Bismarck einnimmt. Es erfolgt nun die Benennung der Figuren von links nach rechts. 1. Montenegro, 2. Italien, 3. Rumänien, 4. Russland, 5. Großbritannien, 6. Frankreich, 7. Belgien und 8. Schweiz.

Die beiden Köpfe die als Schlagpunkte dienen sind zweifelsfrei dem Deutschen Kaiserreich und Österreich-Ungarn zuzuordnen. Dabei stellt der Linke Conrad von Hötzendorf↓8 (Österreich-Ungarn) dar und der Rechte Kaiser Wilhelm II.↓9 (Deutsches Kaiserreich). Dadurch, dass es sich um eine französische Karte handelt ergeben sich gleich zwei unterschiedliche Lesearten des Motivs. Dabei kommt es auf den Blickwinkel an den man bei der Betrachtung einnimmt.

Als Erstes soll die Karte aus einer „deutschen Perspektive“ betrachtet werden. Aus der „deutschen Perspektive“ stellt sich das Geschehen als ein grausames dar. Eine Übermacht an Feinden macht sich daran zwei völlig wehrlose Nationen anzugreifen, zu verprügeln und zu verletzen. Das einzige Ziel besteht darin, möglichst kräftig und erbarmungslos zuzuschlagen. Das Deutsche Kaiserreich und Österreich-Ungarn werden hierbei als arme Opfer dargestellt, die völlig unschuldig den schweren Angriffen ausgesetzt sind. Aber zum Glück gibt es den Geist Bismarcks, der, illuminiert wie ein Heiliger, aus den Wolken auftaucht und dem Treiben mit einer ausladenden Geste Einhalt gebietet. In diesem Falle stünde Bismarck, wie auf so vielen anderen Abbildungen auch, für Stärke, Besonnenheit, Übermächtigkeit und einen, für Deutschland und Österreich heilbringenden und schützenden Übervater. Dadurch wird er schlussendlich zu einem identitätsstiftenden Bezugspunkt gemacht.

Führt man sich jedoch den Erscheinungsort (und die Beschriftung Bismarcks mit seinem Namen, was im Deutschen Reich für seine Identifikation nicht von Nöten gewesen wäre) vor Augen, macht es weitaus mehr Sinn, die Postkarte als eine „französische Perspektive“ zu interpretieren. Allein die Stilistik des Motivs mit seinen überzeichneten Figuren legt nahe, dass es sich um eine humoristische Karikatur und nicht um eine heroisch-verklärende Darstellung handelt.

Betrachtet man nun Figur Nr. 7 (Belgien) genauer, wird man feststellen, dass diese einen Arm in der Schlinge trägt und somit verletzt ist. Nicht nur spricht diese Verletzung für eine Datierung der Karte auf einen Zeitpunkt nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Belgien, sondern nimmt Deutschland und Österreich auch gleichzeitig die Aura der unschuldigen Opfer. Bismarck selbst nimmt hierbei ebenfalls die Rolle des einhaltgebietenden Geistes ein, bleibt aber ein Geist aus der Vergangenheit der keinerlei Macht besitzt das Treiben zu stoppen und von den anderen Figuren beziehungsweise Nationen nichteinmal wahrgenommen wird. Mit dieser Perspektive, die die deutsche Sicht auf Bismarck als quasi Heiligen zwar übernimmt, ihn jedoch in die Bedeutungslosigkeit verbannt, wird der Diskurs um Bismarck und seine Überhöhung zum Schutzheiligen der deutschen Nation karikiert und ins Lächerliche gezogen.

An diesem Motiv wird sehr schön deutlich, welch große Rolle die Frage nach den Adressaten einer Darstellung spielt. Mit dem Wechsel der Perspektive ändert sich auch der Grundtenor mit welchem die Karte gelesen und verstanden wird. Bei der „deutschen“ Leseart erhält Bismarck eine, aus vielen anderen Darstellungen bekannte, Rolle des Übervaters der Nation und erscheint in einem durchweg positiven Licht. Die andere Perspektive ermöglicht einen Blick von außen auf die Heroisierung Bismarcks und zeigt auf wie subjektiv die Deutung eines Motivs schlussendlich ist.

Mon Dieu! “Er” lebt immer noch.

Diese Karte erschien im Jahre 1914 in Berlin unter der Federführung von Max Jahr↓10. Für das Design ist Hans Rudi Erdt, einer der wohl bekanntesten deutschen Plakatdesigner im frühen zwanzigsten Jahrhundert, verantwortlich, der neben dieser Postkarte auch weiteres propagandistisches Material in der Zeit des Ersten Weltkrieges anfertigte.

Zu sehen ist eine über die ganze Größe der Karte reichende Darstellung Bismarcks in einer weißen Kürassieruniform, samt Säbel, Stiefel und Helm. Am unteren rechten Rand der Karte befindet sich die Andeutung einer runden Stadtmauer. In ihrem Innern steckt eine schwarz-weiß-rote Fahne auf welcher „PARIS“ steht. Am oberen Ende sind andeutungsweise zwei Flugzeuge und ein Zeppelin zu erkennen. Unterhalb des Motivs steht der Schriftzug „MON DIEU! ER LEBT IMMER NOCH“. Die Rückseite der Karte ist nicht beschriftet.

Bismarck als Sinnbild für die Überlegenheit Deutschlands

Bismarck als Sinnbild für die Überlegenheit Deutschlands

Als erstes springt die übergroße und alles dominierende Darstellung Bismarcks ins Auge. Der zweite signifikante Punkt ist, dass die Stadtmauer der französischen Hauptstadt Paris von ihm mit dem Stiefel zertreten wurde. Bismarck nimmt auf dieser Karte eine übermächtige Position ein. Er signalisiert Stärke, Tapferkeit und militärische Überlegenheit, Tugenden die sich Deutschland als Nation der damaligen Ära gerne selbst zuschrieb. Einerseits machte man sich so selbst Mut und verdeutlichte sich, dass man dem Gegner überlegen war, andererseits signalisierte man nach außen wiederum die eigene Stärke.

Mit dem Zertreten der Stadtmauer kommt gleichzeitig eine historische Komponente hinzu. Paris als Festung wurde bereits im Deutsch-Französischen Krieg 1871 von deutschen Truppen besiegt und da der Geist Bismarcks und seine Eigenschaften innerhalb des deutschen Volkes weiter existieren, wird es auch in dem neuen Konflikt ein Leichtes sein dies zu tun. Die zugeschrieben individuellen Eigenschaften (Stärke, Tapferkeit, usw.) werden auf das Kollektiv Deutsche Nation umgeschrieben und bilden somit ein identitätsstiftendes Merkmal.

Die Bildunterschrift adressiert einerseits Deutsche und macht ihnen klar, dass „ER“ immer noch lebt. Mit „ER“ ist der Geiste Bismarcks und damit die ihm zugeschriebenen Eigenschaften und somit die Eigenschaften der deutschen Nation, gemeint. Andererseits werden mit dem vorangestellten „MON DIEU!“ in gewisser Weise auch Franzosen miteinbezogen und es wird versucht ihnen die Übermacht des Deutschen Kaiserreiches vor Augen zu führen. Die vorliegende Karte ist gewissermaßen ein Paradebeispiel für die Schaffung von einem „Innen“ und „Außen“ und schlussendlich für die Konstruktion einer nationalen Identität.↓11 Wie das „Innen“ (Deutschland) charakterisiert wird wurde bereits erläutert. Das „Außen“ (Frankreich) hingegen wird nicht weiter beschrieben, außer das es die Eigenschaften des „Innen“ nicht teilt und deshalb schwach und chancenlos ist.

Es wird jedoch deutlich, dass es ein „Außen“ gibt, welchem man feindlich (Freund-Feind Schema) gegenüber steht und welches man übertreffen und besiegen wird. Nimmt man nun die symbolische Bedeutung Bismarcks als Schöpfer des Deutschen Reichs↓12, wird die historische Perspektive auf den Deutsch-Französischen Krieg umgedeutet. Es ist nicht mehr ein Krieg des Norddeutschen Bundes, Bayerns, Württembergs und Badens gegen Frankreich sondern zwischen einer gesamtdeutschen Nation und Frankreich.

In der Retrospektive bestand die deutsche Nation also bereits vor ihrer eigentlichen Gründung dadurch, dass die einzelnen Teile gemeinsam einen Krieg gegen Frankreich führten. Schlussendlich schafft dies eine Perspektive welche eine gemeinsame Geschichte suggeriert. Wie oben bereits erwähnt, zeigt die Karte dem Betrachter aus einer deutschen Perspektive, dass es mit den Tugenden Bismarcks auch dieses Mal gelingen wird, Frankreich zu besiegen und die Flagge des Deutschen Reichs über Paris wehen zu lassen. Dadurch wird gleichzeitig auch ein konkretes Ziel und somit eine gemeinsam angestrebte Zukunft vorgegeben.

“Dem Schöpfer des Deutschen Kaiserreichs”

Diese Karte liegt lediglich als Reproduktion mittlerer Qualität vor und ist daher nicht farbecht. Auch können zum gestaltenden Künstler keine Angaben gemacht werden da die Rückseite fehlt und das Bild nicht signiert ist. Herausgegeben wurde sie 1915 zur Ehrung Bismarcks an seinem hundertsten Geburtstag vom Verlag TCO.

Die Karte ist in einem Sepia-Farbton gehalten und zeigt den Kopf eines ergrauten Bismarcks. Unterhalb des Kopfes befindet sich ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen und einer Krone, der die Fahne des Deutschen Kaiserreiches in den Klauen hält. Auf der vorliegenden Reproduktion scheint die Fahne ebenfalls Sepia zu sein, im Original ist sie jedoch Schwarz-Weiß-Rot. Um die Fahne ist eine Banderole gewickelt, auf welcher der Schriftzug „DEM SCHÖPFER DES DEUTSCHEN KAISERREICHES“ zu lesen ist. Am hinteren Ende der Banderole steht zusätzlich noch „100 Jahre“ und „1815 1915“.

Schöpfer, Führer und Beschützer in einer Person

Schöpfer, Führer und Beschützer in einer Person

Die Darstellung Bismarcks als altem, ehrwürdig ergrautem Mann mit festem Blick lässt ihn weise und nachdenklich, aber dennoch festen Geistes erscheinen. Sein Blick ist zielstrebig nach vorne gerichtet. Der Adler mit der Krone, einmal freilich das Wappentier des Deutschen Kaiserreichs, symbolisiert Stärke, Mut und Tapferkeit. Es findet eine Überschreibung der Eigenschaften statt und man assoziiert Bismarck mit den Eigenschaften, die dem Adler zugeschrieben werden. Der Adler selbst trägt wiederum die Fahne des Deutschen Reiches und ist somit dessen Führer und Beschützer zugleich, was sich schlussendlich wieder auf Bismarck übertragen lässt. Er (Bismarck) hat das Reich nicht nur erschaffen (Banderole), sondern beschützt und leitet es immer noch, obwohl er bereits tot ist.

Dieses Beschützen und Leiten aus dem Jenseits durch und mit den ihm zugeschriebenen Tugenden, die dann wiederum auf die Deutsche Nation an sich übertragen werden↓13, erhebt ihn in eine beinahe göttliche beziehungsweise heilige Sphäre.

 

Nation und Bismarck – Fazit

Was also ergibt sich bei einer Betrachtung der drei vorliegenden Postkarten mit den vorangestellten theoretischen Überlegungen? Als erstes muss man sich stets verdeutlichen wer eine Quelle, in diesem Falle eine Bildpostkarte, betrachtet und wer sie erschaffen hat. Sobald man die Perspektive wechselt ergeben sich häufig ganz neue und gegensätzliche Interpretationsweisen. So wird, sobald man den Betrachtungswinkel ändert, aus einem einhaltgebietenden Quasiheiligen plötzlich ein lächerliches Männchen das in den Wolken erscheint.

Deutlich wurde auch, dass es für die Selbstmanifestierung einer Nation zwingend einer gemeinsamen Historie bedarf. In den Beispielpostkarten wird das zum Veröffentlichungszeitpunkt bestehende Deutsche Kaiserreich mit dem Staatenverbund gleichgesetzt, der in den 1870er Jahren Krieg gegen Frankreich führte. Dadurch entsteht eine geschichtliche Tradition die zwei unterschiedliche Gemeinschaften in eine historische Linie stellt und sie so zu einer Einheit macht.

Des Weiteren wird Bismarck dazu benutzt sich selbst gewisse Eigenschaften zuzuschreiben, mit denen man sich gerne Identifizieren möchte. Für diese Selbstzuschreibung von Eigenschaften stellt Bismarck eine sehr ergiebige Vorlage dar. Er wurde im kollektiven Gedächtnis nicht nur als dominanter Politiker und Staatslenker, sondern auch als ehrliche, mit hoher Integrität ausgestattete Person behalten. Einerseits fanden diese Zuschreibungen Eingang in den Personenkult der um ihn veranstaltet wurde und andererseits wurden diese Eigenschaften auf das Kollektiv Deutsche Nation übertragen und verstärkten die Identifizierung Einzelner mit diesem Kollektiv.

 

Anmerkungen

1 Baumann, Zygmunt: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit. Frankfurt 1995. S. 15.

2 Baumann führt noch eine weitere „Klasse“ ein und zwar das Fremde. Dieses Fremde ist weder Freund noch Feind und gerade deshalb bedrohlich, weil es die klare Einteilung der Welt in Freund und Feind untergräbt. Diese „Klasse“ spielt in unserer Betrachtung jedoch keine Rolle da ein klassisches Freund-Feind Schema vorliegt. (Ebd., S.74.) Siehe hierzu auch: Rüdiger Voigt (Hrsg.): Freund-Feind-Denken. Carl Schmitts Kategorie des Politischen. Stuttgart 2011.

3 Ebd., S. 75ff.

4 Jansen, Christian und Borggräfe, Henning: Nation, Nationalität, Nationalismus. Frankfurt 2007. S. 92. Und: Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Frankfurt 2005. S. 15f.

5 Ebd. S. 97. Und: Logge, Thorsten: Zur medialen Konstruktion des Nationalen. Die Schillerfeiern 1859 in Europa und Nordamerika. Göttingen 2014. S. 12f.

6 Baumann 1995, S 87. (Unterstreichung von mir vorgenommen, im Original ist das Wort kursiv gesetzt).

7 Ebd. (Unterstreichung vom Verf. vorgenommen, im Original ist das Wort kursiv gesetzt).

8 Feldmarschall und Chef des Generalstabes der Truppen Österreichs und Ungarns.

9 Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen war als Wilhelm II. der letzte deutsche Kaiser. Er regierte von 1888 bis 1918.

10 Siehe hierzu: http://www.dhm.de/datenbank/dhm.php?seite=5&fld_0=96003702 (22.02.2015).

11 Siehe hierzu die einleitenden Worte dieses Beitrags.

12 Siehe hierzu den Beitrag “Bismarck als Waffenschmied” (http://bismarckmythos1915.de/?p=582)

13 Siehe hierzu die einleitenden Worte dieses Beitrags.

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Bismarck im Portait und im ersten Weltkrieg http://bismarckmythos1915.de/?p=325 http://bismarckmythos1915.de/?p=325#comments Sun, 22 Mar 2015 15:24:50 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=325 Bismarck-Portait-Karte

Die zu sehende Postkarte stammt aus dem Verlag Gustav Liersch & Co., Berlin. Das Motiv ist ein typisches für diesen Verlag, so wurden ganze Serien dieser Art von Portraikarten von verschiedenen Persönlichkeiten erstellt. Unter anderem über den Kaiser und seine Gemahlin, andere Mitglieder der Kaiserfamilie und sogar von ausländischen Herrschern wie etwa dem Zaren von Russland Nikolaus II. Der Künstler ist nicht bekannt.

Bismarck-Portait

Bei dieser Karte handelt es sich um eine klassische Portaikarte für den 100. Geburtstag Bismarcks 1915. Zusehen ist Bismarck in seiner Uniform mit Säbel und Pickelhaube in einer aufrecht stehenden Pose mit ernster, ruhiger Mine. Des Weiteren der klare Verweis auf den 100. Geburtstag durch die Jahreszahlen in der Kopfzeile 1815 und 1915. Weiter fällt die Unterschrift von Bismarck am rechten unterem Bildrand auf.

Bei dieser, eigens für den 100. Geburtstag publizierten, Postkarte, steht die Frage Bismarcks Darstellung mit der Uniform, dem Säbel und der Pickelhaube im Raum: Wieso wurde diese Darstellung gewählt?

Zum Einen, da Bismarck auch diesen Offiziersrang innehatte, zum anderen aber auch da damit auf bestimmte historische Ereignisse angespielt werden sollte, wie die Einigungskriege gegen Dänemark 1863/64, Österreich 1866 und vorallem gegen Frankreich 1870/71. Somit wurde an Bismarck als Feldherr erinnert. Allerdings sollen auch bestimmte Eigenschaften Bismarck zugeschrieben werden, wie Integrität, Aufrichtigkeit, Treue und Selbstlosigkeit, die sich gerade durch das Tragen der Uniform wiederspiegeln sollten, da durch die Uniform ein Mensch von dem individuellen Wesen zu einem kollektiven Wesen werden soll. Die Unterschrift am unteren rechten Bildrand erinnert an Autogrammkarten heutiger Berühmtheiten und gibt damit der sonst recht schlicht gehaltenen Postkarte einen persönlichen Anstrich. Fast so, als würde Bismarck dieser Darstellung seinen Segen geben. Im Gesamten betrachtet, nahm die Karte die Attribute vorweg, die ihm Egon Friedell(1878-1938) zuschrieb:”In dem Hirn und Herzen des Mannes, der das Kunstwerk der deutschen Einheit schuf, war alles lebendig versammelt, was jemals den deutschen Namen verehrungswürdig gemacht hat: die Kraft, Kirchen zu stiften wie Luther, die Kraft, Geistesschlachten zu schlagen wie Lessing, die Kraft, Geschichtssysteme zu bauen wie Hegel.”1

“Der steinerne Gast in Brest Litowsk”

Gast-in-Brest-Litowsk

Die oben stehende Karte “Der steinerne Gast in Brest Litowsk” erschien für die “Zeitbilder” der
Deutschen Zeitung und wurde von Oskar Theuer gezeichnet.
Im Deutschen-Historischem-Museum wird diese Karte als Kriegs und Propaganda-Karte geführt.
Diese Zeichung ist angelehnt an ein Foto von den Waffenstillstandsverhandlungen vom 15.
Dezember 1917, welches im Bundesarchiev zu finden ist.

Das Motiv dieser Karte beschreibt den Friedensschluss zwischen den Mittelmächten (Deutschland
und Österreich) und dem neu gegründeten Sowjetrussland in Brest-Litowsk, einer Stadt im
heutigen Weißrussland.
Abgebildet sind die drei federführenden Unterhänder Richard von Kühlmann für Deutschland
(Bildmitte unten), Ottokar Czernin für Österreich-Ungarn (rechter unterer Bildrand) und Leo
Trotzki für Sowjetrussland (rechter Bildrand, unter dem Tisch verschwindend) und deren Gefolge.
Die zentrale Figur ist aber “das Hamburger Bismarckdenkmal”, welches mit seiner steinernen Faust
auf den Tisch schlägt und ihn zum Zusammenbrechen bringt.

Diese Karte zeigt noch einmal deutlich, wie präsent Bismarck in der damaligen Zeit war, sodass er
bis in die aktuelle Diplomatie wirkte oder wirken sollte. Es bestand eine Art Sehnsucht nach diesem
Typus von Staatsmann, der konsequent seine Vorstellungen einbrachte und durchsetzte, will man
dem Bild glauben.
Betrachtet man die anderen Akteure also Trotzki, der im wahrsten Sinne sich unter dem Tisch vor
Bismarck zu verkriechen scheint, oder Kühlmann, der wie Czernin auch zur Flucht ansetzt, wird das
Bild des “Eisernen Kanzlers” weiter bestärkt. Aber auch die restlichen Personen im Raum scheinen
erschrocken und durchaus in Panik geraten zu sein, sodass sie von den Stühlen
fallen. Somit wird Bismarck wieder zum Verfechter der damaligen deutschen Interessen. Es scheint,
so als würde er den Frieden diktieren, in dem er auf den Tisch schlägt und dieser nachgibt.
Neben dieser Verfechter-Rolle schwingt auch eine Art von “Ewigerbeschützer” mit, welches durch
das steinerne und damit die Zeiten überdauernde und somit “ewige” Bismarckdenkmal symbolisiert
wird.

“Weltkrieg 1914″ 

Weltkrieg-1914-1

 

Bei dieser Karte handelt es sich um eine Weltkriegskarte aus dem Gunblach Verlag aus Bielefeld.
Der Künstler ist nicht genannt.

Auf ihr ist die Schlacht um Lothringen (20. bis zum 22. August 1914) zu sehen. Im Besoderen sind
Kavallerie und Artillerie dargestellt. Die Kopfzeile ist mit “Weltkrieg 1914″ überschrieben.
Am rechten Bildrand steht Bismarck als Beobachter am Waldesrand unter einem Eichenbaum. Er ist
zivil gekleidet, hat die Arme auf dem Rücken verschränkt und hält einen Gehstock.
In der unteren linken Bildecke wird Bismarck nach der Schlacht in Lothringen folgender Satz in den Mund gelegt:
“So ist’s recht Wilhelm die zweite Auflage von 70 scheint gut zu werden.”

Dieses Motiv ist als Propaganda-Karte zu werten. Spannend hierbei sind besonders drei Dinge.
Zum Ersten die Schlachtdarstellung, da hier keine Kämpfe zwischen Soldaten zusehen sind,
sondern nur das ungebremste Vorrücken der deutschen Truppen. Es ist nur deutsches Artilleriefeuer
zu sehen und kein französisches, ebendso bei der Kavallerie, die im vollen Galopp nach vorne
prescht. Dies ist eine Anspielung auf den Deutsch-Französischen-Krieg von 1870/71, bei dem die
deutschen Truppen innerhalb weniger Wochen vor Paris standen.
Zum Zweiten die Darstellung Bismarcks.
Er ist einerseits ohne Uniform in zivil dargestellt und beobachtet aufmerksam das Geschehen unter ihm
ohne allerdings angespannt zu sein. Das zeigen besonders die hinter dem Rücken verschränkten
Arme. Zum anderen steht er bildperspektivisch hinter den vorrückenden Soldaten, überblickt die
Schlacht und scheint mit ihrem Verlauf zufrieden zu sein.
Dies wird auch mit dem dritten Punkt bekräftigt: Den zwei Sätzen, die unten links auf der Postkarte
stehen:

“Bismarck nach der Schlacht in Lothringen;
So ist’s recht Wilhelm die zweite Auflage von 70 scheint gut zu werden.”
Dort wird wieder der Bezug zu 1870/71 herraufbeschworen. Besonders ist hier der Begriff der
“zweiten Auflage”, weil dadurch eine geradezu genaue Reproduktion von 1870/71 erzeugt werden.
Dies wohl nicht nur auf den Kriegsverlauf gemünzt, sondern auch möglicherweise auf die Ursache.
Da der Begriff den Anschein erweckt, ein von Frankreich gewolltes “Rückspiel” für 1870 zu sein.
Bei diesem Motiv wird Bismarck zu einer Art Schutzpatron, der über die Geschicke des Deutschen
Reiches wacht und als Motivationsstifter auftritt.

Rückseite  “Weltkrieg 1914″

Bei dieser Postkarte handelt es sich um eine Feldpostkarte, die am 1.Februar.15 abgeschickt wurde.
Der Absender ist der Wachmann Hugo Schwertfeger, der in der 9.Armee in der Brigade Doussin diente
und damit Teil des Korps Posen war. Er schrieb die Karte am 30.Januar.1915.
Adressiert ist die Karte an die Familie J. Mauritius aus Lehe bei Hannover.

In seinem Text bedankt sich Hugo Schwertfeger für ein Paket mit Schokolade, welches er gerade
bekommen hat. Weiter sagt er, dass er die anderen Pakete noch nicht erhalten habe, aber diese
hoffentlich bald bekomme. Ebendso beantwortet Hugo Schwertfeger die Frage, ob er Speck in einem
der nächsten Pakete haben wolle, mit “Ja”. Der Brief endet mit der Aussage, dass er “gesund und
wohlgemut” sei und bitte, schöne Grüße an Herrn Hains und alle Bekannten zu übermitteln.

Die Karte entstand gute sechs Wochen nach der Schlacht um Łódź (11. November – 5. Dezember) in
der auch die Brigade Doussin als Teil des Korps Posen mitkämpfte, da sie Mitte November der 9.
Armee zugeteilt wurde. Bei dieser Schlacht gelang es keiner der Parteien, ihre strategischen Ziele zu
erreichen. Das Resultat der Kampfhandlungen bestand darin, dass die russische Seite ihren
geplanten Angriff auf Schlesien und Posen erst einmal aufgeben musste, im gleichen Zuge gelang
es der deutschen Seite aber auch nicht, Łódź als strategische Sicherung zu halten. Trotzdem
verkaufte General Erich von Ludendorff, das schon als einen großen Sieg. Bis sich schließlich
am 6. Dezember die russischen Truppen zurückzogen, aufgrund von Nachschubproblemen und um
sich taktisch neu zu formieren.

Betrachtet man nun das Kartenmotiv in Bezug auf diesen Hintergrund bleibt festzuhalten, dass
damit eine Form des Anknüpfens an die Erfolge im Westen stattfinden sollte. Es signalisiert dem
Empfänger dieser Karte, dass alles nach Plan laufe und soll damit, wie in diesem Falle, die
Bekannten in der Heimat beruhigen, da das Motiv seine Aussage er sei “wohlgemut”, unterstreicht.
Bismarck wirkt auf dem Motiv als die moralische Stütze, denn wenn Bismarck schon sagt “Die
zweite Auflage von 70 scheint gut zu werden,” könne ja nichts mehr schief gehen.

Weltkrieg-1914-2

 

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