Bismarckmythos » Christian Michaelis http://bismarckmythos1915.de 1815 – 1915 Tue, 20 Oct 2015 13:36:42 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.1.37 Person und Zeitkontext: Bismarck und der Erste Weltkrieg http://bismarckmythos1915.de/?p=802 http://bismarckmythos1915.de/?p=802#comments Thu, 10 Sep 2015 14:25:25 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=802 Adelszögling, Jurist, Gutsherr

Otto Eduard Leopold von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen (Elbe) nahe Magdeburg als Sohn des altmärkischen Adligen Ferdinand von Bismarck und der Bürgerstochter Louise Wilhelmine Mencken geboren.

Im Alter von sechs Jahren verließ er den väterlichen Gutshof und kam auf ein Berliner Internat, die sogenannte Plamannsche Lehranstalt, die als patriotisch und konservativ galt und als Eliteinternat für Söhne des brandenburgisch-preußischen Adels↓1 und hoher Beamter diente.↓2 Mit 15 Jahren wechselte Bismarck auf das Friedrich-Wilhelm-Gynasium und später an das “berühmte Graue Kloster”↓3 (Gymnasium), wo er auch 1832 sein Abitur ablegte.

Anschließend studierte er von 1832- 1835 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Göttingen und Berlin.↓4 Nach erfolgreichem Abschluss wechselte er von der Justiz zur Verwaltung, um 1836 schließlich als Regierungsreferendar in Aachen seine erste Anstellung anzutretten. Diese Zeit war von einem exzessiven und affärenreichen Lebensstil geprägt.↓5

Nach drei Jahren im Staatsdienst bat Bismarck um seine Entlassung, um sich der Verwaltung der väterlichen Gütern in Pommern widmen zu können.↓6

Als nunmehriger pommerscher Gutsherr wurde er 1841 Abgeordneter im pommerschen Provinziallandtags. Er genoss das gutsherrliche Leben↓7, in dessen Umfeld er auch seine spätere Frau Johanna von Puttkamer kennenlernte, die er 1847 heiratete.

Wechsel in die Politik↓8

Bismarcks politische Karriere begann im Jahr 1847 mit der Wahl in den “Vereinigten Landtag”, wo er sich in der konservativen Fraktion durch sein Redetalent einen Namen machte.↓9

Durch aufsehenerregende Positionen als unbedingt Königstreuer während der Märzrevolution 1848 erlangte Otto von Bismarck die Aufmerksamkeit des Königshofs. 1851 wurde auf den nach eigener Meinung “augenblicklich wichtigsten Posten” des preußischen Gesandten beim Deutschen Bund in Frankfurt am Main berufen. Fast ein Jahrzehnt war er dort Vertreter Preußens im Kreis der deutschen Staaten. Dieser Stellung folgten die preußischen Diplomatenposten in St. Petersburg und Paris.↓10

1862, noch in Paris ansässig, erreichte Bismarck ein Telegramm von Albrecht von Roon, einem befreundeten preußischen General und seit 1859 Kriegsminister Preußens, mit den mahnenden Worten: „Periculum in mora. Dépêchez-vous!” (Gefahr in Verzug! Beeilen sie sich!)↓11 Der Hintergrund der eingeforderten Eile war eine Regierungskrise zwischen dem Parlament und dem König Wilhelm I. über die Roonsche Herresreform. Dem Aufruf folgend, begab sich Bismarck umgehend nach Berlin, wo er am 22. September 1862 den König auf dessen Einladung in Babelsberg traf.↓12 In dem Wissen um das Potenzial des Treffens für seinen eigenen politischen Aufstieg bekundete Bismarck dort, ein “kurbrandenburgischer Vasall, der sein Lehnsherrn in Gefahr sieht”, zu sein und gab Wilhelm I. durch diesen vorauseilenden Gehorsam die Hoffung, einen Minister gefunden zu haben, der sein Vorhaben durchsetzten könnte.↓13

Bereits am nächsten Tag wurde Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten und Außenminister berufen.↓14 In dieser Funktion trug Bismarck den Streit mit dem Parlament über die Heeresreform aus, den er schließlich im Sinne der Krone löste.

1864 begann der Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark, dessen Frieden von Bismarck so gestaltet wurde, dass sich die Beziehungen zwischen Österreich und Preußen nicht stabilisierten, sondern über den”rasch ausbrechenden Differenzen über den künftigen Status der Herzogtümer Schleswig und Holstein in den zweiten Krieg von 1866″ mündeten.↓15 Dieser Krieg wurde auch als “Bruderkrieg” wahrgenommen und stieß vermehrt auf Ablehnung innerhalb des Deutschen Bundes, weil damit eine “großdeutsche Lösung”, also ein gesamtes Deutsches Reich unter der Führung Österreichs, nicht mehr möglich war. Nachdem Sieg Preußens wurde der Deutsche Bund aufgelöst und Preußen “annektierte mehrere bis dahin souveräne Bundesmitglieder, die sich auf die Gegenseite geschlagen hatten[…]”.↓16

Nach dieser erfolgreichen Auseinandersetzung hatte sich Bismarck mit der Gründung des Norddeutschen Bundes und mit Teritorialgewinnen Preußens innerhalb des politischen Systems fest etabliert.

Vom Reichskanzler zum Mythos

Die Ereignisse, die zur Reichsgründung 1871 und zum Sieg über Frankreich führten, bildeten den Grundstein für die Mythologisierung Bismarcks. Der Ausgangspunkt für den späteren Deutsch-Französischen Krieg war der Streit um die spanische Thronfolge nach der Absetzung Königin Isabellas II. Die Krone wurde danach dem deutschen Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen angeboten, einem Prinzen aus der katholischen Nebenlinie des preußischen Königshauses.

Als dieses Vorhaben bekannt wurde, übte Frankreich massiven Druck auf Leopold aus, die Krone Spaniens nicht anzunehmen, da von Frankreich befürchtet wurde, von zwei “preußischen Staaten” umgeben zu sein.

Nach Leopolds Verzicht verlangte der franzöische Kaiser Napoleon III. zusätzlich vom preußischen König “eine förmliche Garantie” für die Aufgabe des spanischen Throns, welche Wilhelm I. nicht erteilen wollte. Daraufhin wurde am 13. Juli 1870 der französische Botschafter Graf Benedetti zu Wilhelm I. nach Bad Ems gesandt, wo der König zur Kur weilte und nochmals um den Verzicht einer hohenzollernschen Thronkandidatur gebeten wurde. In diesem Vorgehen sah Wilhelm eine grobe Anmaßung und er wies den Botschafter ab. Das diese Vorgänge schildernde Telegramm des Königs wurde von Bismarck gekürzt und dadurch zugespitzt; so entstand die berühmte “Emser-Depesche”.↓17 Entscheidend für die Kriegserklärung Frankreichs war nicht die “Emser-Depesche”, sondern die Lage, in die sich die französische Regierung selbst manövriert hatte, indem sie Wilhelms Garantieerklärung auf den Kronverzicht in Spanien als das einzige friedensbewahrende Kriterium festgesetzt hatte. Als Wilhelm dieser Forderung nicht nachkam, obwohl das Problem mit dem Verzicht Leopolds nicht mehr existent war, sah Napoleon III.  nur noch in einem Krieg die Möglichkeit, sein Ansehen zu retten.↓18

Den folgenden Deutsch-Fanzösischen Krieg von 1870/71 entschied das deutsche Heer durch eine “rasche Mobilmachung mithilfe der Eisenbahn und einer überlegenen Artillerie”↓19 schnell zu seinen Gunsten.

Mit den Siegen in den “Einigungskriegen” gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870/71) entstand ein wachsendes Nationalgefühl in der Bevölkerung. In diesem Momentum sah Bismarck die Chance, eine Vereiningung der deutschen Staaten unter preußischer Führung herbeizuführen.↓20 Um dieses Ziel zu erreichen, war es wichtig den bayerischen König Ludwig II., der das nach Preußen mächtigste Königreich führte, für die Kaiserkrönung Wilhelms zu gewinnen. Das gelang, indem Bismarck diesem umfangreiche “preußische Geldzahlungen” zukommen ließ.↓21

In der Folge trug die Gesamtheit der deutschen Fürsten (d.h. alle Klein- und Mittelstaaten), mit Ausnamhe Österreichs, Wilhelm I. die Kaiserkrone an, womit eine ihm ausreichende Legitimation des Kaisertitels geschaffen wurde.

Die Krönung Wilhelms I. zum “Deutschen Kaiser” erfolgte am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles.↓22

Kanzler mit und ohne Amt

Im Deutschen Kaiserreich setzte Bismarck seine politische Karriere als Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident fort. In der unter seiner Federführung entstandenen Verfassung nahm Bismarck eine zentrale Machtposition ein. Sowohl als Reichskanzler als auch als Ministerpäsident Preußens unterstand er nur dem Kaiser bzw. dem König und war keinem Parlament Rechenschaft schuldig.

Nach der Reichsgründung bezeichnete Bismarck das Reich nach außen als saturiert (gesättig), d.h. dass das Reich keinerlei weitergehende territorialen Ansprüche hegte. Darüberhinaus sah Bismarck es als seine Hauptaufgabe an, friedensstiftend in der europäischen Politik zu wirken, um so die Saturiertheit des Deutschen Reiches zu beweisen.↓23 Das spiegelt sich auch in Bismarcks Bündnispolitik wieder. So wurde das Deutsche Reich abgesichert in Bündnissen mit Österreich (Zweibund), sowie mit Österreich und Russland (Dreikaiserbündnis).↓24 Neben diesen und weiteren Absicherungen und Einbindungen bestand als Konstante die politische Isolation Frankreichs, dem Bismarck (begründet oder nicht) Revanchebestrebungen unterstellte.↓25

Der Reichsgründung folgten administrative und juristische Standardisierungen in den einzelnen Reichsstaaten etwa bei der Rechtsprechung, dem Münzwesen und in der Wirtschaft.↓26

Innenpolitisch war Bismarck nicht unangefochten, gerade mit der Sozialdemokratie kam es zu Konflikten.↓27 Infolge dieser Auseinandersetzungen wurde 1878 das “Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie”↓28 verabschiedet. Ein Bündel gesetzlicher Maßnahmen, bekannt unter dem Namen  “Sozialisten-Gesetze”. Diese Gesetze verboten die politische Agitation der Sozialdemokraten, allerdings war es ihnen weiter gestattet, an den Reichstagswahlen teilzunehmen.

Drei Jahre nach dem Inkrafttretten der “Sozialistengesetze” führte Bismarck ab November 1881 verschiedene Sozialversicherungen ein, darunter die Unfall- und Krankenversichung (1881) sowie die Alters- und Invalidenversicherung (1887).↓29

Weitere von der Regierung in Sondergesetzen ausgetragene politische Konflikte traten mit dem politischen Katholizismus (“Kulturkampf”)↓30 sowie mit den nationalen Minderheiten der Polen, Dänen, Elsässer und Lothringer auf.↓31

Otto von Bismarcks politische Karriere endete im Grunde im März 1888 mit dem Tod Wilhelm I., der gesagt haben soll, “es ist nicht leicht, unter einem solchen Kanzler Kaiser zu sein”.↓32 Bismarck blieb zwar noch unter Friedrich III, der bereits 99 Tage nach seinem Vater Wilhelm I. verstarb, und auch noch unter dem jungen Kaiser Wilhelm II. im Amt.↓33 Allerdings sagte Bismarck über Wilhelm II., dieser sei “ein Brausekopf, könne nicht schweigen, sei Schmeichlern zugänglich und könne Deutschland in einen Krieg stürzen, ohne es zu ahnen und zu wollen.”↓34 Schon an dieser Ausssage Bismarcks zeigt sich seine persöhnlich und politische Antipathie gegenüber Wilhelm II.

Die verschiedenen politischen Ansichten kulminierten in Bismarcks erzwungenem Rücktrittsgesuch vom 15. März 1890 und dessen Gewährung drei Tage später.↓35

Nach seiner Entlassung im März 1890 zog sich Bismarck auf seinen Landsitz in Friedrichsruh bei Hamburg zurück. Dieser war ihm im Juni 1871 von Wilhelm I. für seine Verdienste im “Deutsch-Franzöischen Krieg” geschenkt worden.↓36 Von dort aus tätigte er auch schon während seiner Kanzlerschaft oft die Regierungsgeschäfte, wodurch Friedrichsruh gelegentlich die heimliche “Reichshauptstadt” war.↓37

In Laufe seines Lebens erlebte der geborene Freiherr von Bismarck zwei Standeserhöhungen. Wilhelm I. erhob ihn 1865 zum Grafen und 1871 zum Fürsten.↓38 Nach seinem Ausscheiden als Reichskanzler wurde Otto von Bismarck von Wilhelm II. 1890 zudem der Titel eines Herzogs von Lauenburg beigelegt. Diesen Titel lehnte er allerdings konsequent ab, da er immer noch eine starke Abneigung gegenüber Wilhelm II. hegte.↓39

Otto von Bismarck verstarb am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh.↓40 Bereits zuvor hatte eine mythische Verklärung eingesetzt, in der verschiedene deutsche “Interessengruppen” der Gegenwart unter ihren “Bismarck” an die Seite oder auch entgegen stellten. Der “Alte aus dem Sachsenwald” wurde zu einem Projektionsfläche für ganz unterschiedliche Wünschbarkeiten. Kern der heterogenen Bismarck-Mythos war die Reichseinigkeit, der Stolz auf das Geschaffene und ein politisches Genie, dem die Lösung auch der komplexesten Probleme zugeschrieben wurde. Je mehr Zeit verging, desto mehr entfernten sich die Images von Bismarck von ihrem ursprünglichen historischen Vorbild.

Nach 16 Jahren ohne Bismarck: Der 100. Geburtstag

Zum Zeitpunkt von Bismarcks 100. Geburtstag am 1. April 1915 tobte bereits seit acht Monaten der Erste Weltkrieg in Europa. Die Mythisierung Bismarcks war also gebrochen durch vorher ungeahnte Kriegsereignisse, die im Weiteren kontextualisiert werden sollen.

Die Westfront

Mit Beginn der Mobilmachung war die Masse des Deutschen Heeres im Westen an der Grenze zu Frankreich und Belgien aufmarschiert.↓41
Der sogenannte Schlieffenplan des Deutschen Heeres sah vor, dass ein starker rechter Flügel der deutschen Armeen durch Belgien nach Nordfrankreich marschieren sollte, um die französischen Armeen zu umfassen und zu vernichten. Frankreich sollte innerhalb von sechs Wochen besiegt werden.↓42 Der deutsche Einmarsch in Belgien verletzte die belgische Neutralität und führte zur Kriegserklärung Großbritanniens, das als Schutzmacht Belgiens auftrat. Es bestand keine Bündnisverpflichtung Großbritanniens gegenüber Frankreich und Russland.↓43 Der Plan zur Umfassung der französischen Truppen war bereits am 9. September 1914 gescheitert, nachdem die 1. deutsche Armee, die den äußersten rechten Flügel bildete, sich ihrer Einkesselung und Vernichtung vor Paris gegenüber sah.↓44 Nach dem Scheitern des ursprünglichen deutschen Planes, durch eine schnelle Einnahme von Paris den Krieg im Westen zu beenden, begann der sogenannte Wettlauf zum Meer, in dem die Kriegsparteien versuchten, sich gegenseitig zu flankieren, und daraufhin die Frontlinie bis zum Ärmelkanal hin verschoben. Keiner Seite gelang dabei eine entscheidende Flankierung der gegnerischen Truppen.↓45
Die Westfront erstarrte im Stellungskampf, der den Verteidiger begünstigte und Durchbruchsversuche massiv erschwerte. Die im Dezember 1914 begonnenen französischen Offensiven im Artois und in der Champagne scheiterten unter schweren Verlusten, ohne einen Raumgewinn zu erzielen. Die Deutschen verbesserten ihre Positionen, in dem sie ihre Stellungen und Taktiken für die Verteidigung optimierten.↓46
Zwei weitere französische Offensiven im Artois und in der Champagne im Mai und im Herbst 1915 wurden ebenfalls ergebnislos abgebrochen.↓47

Die Ostfront

An der Ostfront war der auf französischen Druck, wegen der kritischen französischen Lage im August 1914, übereilte russische Angriff auf Ostpreußen zurückgeschlagen worden. Dabei vernichtete die 8. Armee unter dem Kommando Hindenburgs die 2. russische Armee in der Schlacht von Tannenberg nahezu komplett. In diesem Sieg begründete sich der Mythos von Hindenburg als Heldenfigur.↓48 Parallel zu den deutschen Erfolgen musste das mit Deutschland verbündete Österreich-Ungarn im Herbst 1914 eine Reihe schwerer Niederlagen hinnehmen, die den Rückzug aus Galizien notwendig machten.↓49 Ein Ende September auf Schlesien angesetzter russischer Angriff wurde noch im Aufmarsch von deutschen Truppen angegriffen und abgewehrt. Ein Halten der bei diesem Angriff eroberten Gebiete war den Deutschen nicht möglich, worauf sie sich bis Ende Oktober wieder aus Polen zurückziehen mussten. Auch die k.u.k. Truppen mussten die Rückeroberung Galiziens im Oktober abbrechen. Mitte November 1914 traf ein Angriff deutscher Truppen die Flanke der im westlichen Polen stationierten russischen Armeen.↓50 Dies führte zur Einnahme der Stadt Lodz am 6. Dezember, während sich die k.u.k. Truppen wegen der Niederlagen in das Karpatengebirge zurückziehen mussten.↓51 Im Winter 1914/1915 wurden von beiden Seiten Offensiven gestartet, die unter beiderseitigen hohen Verlusten endeten. Im Februar 1915 besiegten deutsche Truppen die noch in Ostpreußen stehenden Russen und befreiten die östlichste deutsche Provinz.↓52

Die Balkanfront

Das Vorgehen Österreich-Ungarns gegen Serbien erfolgte parallel zu dem gegen Russland. Die gegen Serbien aufgebotenen Kräfte waren nicht ausreichend, um es zu besiegen, und gleichzeitig fehlten diese Truppenteile in Galizien gegen Russland. Die Folge war das komplette Scheitern der k.u.k. Offensive gegen Serbien im Herbst 1914.↓53

Das Osmanische Reich

Am 25. Oktober 1914 war das Osmanische Reich auf Seiten der Mittelmächte in den Krieg eingetreten.↓54 Eine Invasion der Halbinsel Gallipoli durch hauptsächlich australische und neuseeländische ANZAC-Truppen der Entente am 18. März 1915 scheiterte und musste Anfang 1916 schließlich ergebnislos abgebrochen werden.↓55 Das Osmanische Reich erlitt im weiteren Kriegsverlauf eine Reihe von Niederlagen und Rückschläge, so im Kaukasus gegen Russland und in Mesopotamien gegen britische Truppen.↓56

Italien

Das mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbündete Italien war zu Kriegsbeginn neutral geblieben. Italien näherte sich der Entente an und erklärte am 23. Mai 1915 Österreich-Ungarn den Krieg. Der italienische Kriegseintritt brachte allerdings nur eine weitere festgefahrene Front hervor, denn es gelang den k.u.k. Truppen die italienischen Offensiven am Fluss Isonzo abzuwehren.↓57

Fazit im April 1915

Während Deutschland im Westen eine Stellung erreicht hatte, die sich gut verteidigen ließ, und seine Gebiete im Osten behauptet hatte und im westlichen Polen sogar vorgerückt war, hatte Österreich-Ungarn schwerste Verluste an Menschen, Material und Territorium erlitten. Die Ostfront war allerdings insofern momentan stabil, da auch Russland schwere Verluste erlitten hatte, die zuerst ausgeglichen werden mussten.

Ausblick Sommer und Herbst 1915

In Anbetracht der Schwäche des k.u.k. Heeres, dessen komplette Niederlage eher aufgeschoben als verhindert worden war, wurde der Ostfront Priorität vor der Westfront eingeräumt. Nach Meinung des deutschen Oberbefehlshabers Falkenhayn würde der Krieg zwar im Westen gewonnen werden, aber nur wenn man ihn vorher im Osten nicht verlor. Deutsche Truppen wurden an die Ostfront verlegt, denen es ab dem 1. Mai 1915 gelang, die russische Front in Galizien zu durchbrechen. Parallel dazu gelang es einem deutschen Vorstoß große Teile Litauens zu erobern. Die russischen Truppen zogen sich daraufhin aus ganz Polen zurück, doch gelang es den Deutschen nicht, ihren überwältigenden in einen entscheidenden Sieg zu verwandeln, so dass Russland zwar stark geschwächt wurde, aber noch immer im Krieg verblieb.↓58 Mit Unterstützung des am 6. September in den Krieg eingetretenen Bulgarien war im Herbst 1915 eine Offensive zur Niederwerfung Serbiens erfolgreich. Die Wirkung dieser Bereinigung eines Nebenkriegsschauplatzes wurde durch die Eröffnung eines neuen, durch den Einmarsch der k.u.k Truppen in Montenegro und Albanien zunichte gemacht.↓59

↓ Fußnoten

↓1 Kolb, Eberhard: Bismarck, München 2009, S. 7.

↓2 Gall, Lothar: Bismarck: Ein Lebensbild, Bergisch Gladbach 1991, S. 10.

↓3 Ebd. S. 12.

↓4 Ebd.

↓5 Kolb: Bismarck, S. 11-12.

↓6 Ebd. S. 13.

↓7 Ebd. S. 14.

↓8 Ebd. S. 19.

↓9 Ebd. S. 19-21.

↓10 Ebd. S. 32-33.

↓11 Kolb: Bismarck, S. 53.

↓12 Ebd. S. 53-54.

↓13 Huber, Ernst Rudolf: Bismarck und das Reich, in: Ders. Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd.3, Stuttgart 1988. S. 301.

↓14 Kolb: Bismarck, S.54.

↓15 Althammer, Beate: Das Bismarckreich 1871-1891, Paderborn 2009, S.16.-17.

↓16 Ebd. S. 17.

↓17 Althammer: Bismarckreich, S. 18.

↓18 Kolb: Bismarck, S. 88.

↓19 Althammer: Bismarckreich, S.19.

↓20 Kolb: Bismarck, S. 92.

↓21 Althammer: Bismarckreich, S. 22.

↓22 Ebd. S. 23.

↓23 Kolb: Bismarck, S. 86-97.

↓24 Ebd. S. 101.

↓25 Ebd. S. 97-98.

↓26 Kolb: Bismarck, S. 102.

↓27 Althammer: Bismarckreich, S. 33-34.

↓28 Kolb: Bismarck, S. 112.

↓29 Ebd. S. 112-115.

↓30 Ebd. S. 106-107.

↓31 Althammer: Bismarckreich, S. 34.

↓32 Ludwig Bamberger: Bismarck postumus, o.O. 1899, S.8.

↓33 Kolb: Bismarck, S.121-122.

↓34 Ebd. S.122

↓35 Ebd. S.126

↓36 Ebd. S93.

↓37 Ulf Morgenstern Seminarführung durch Friedrichsruh (November 2014)

↓38 Althammer: Bismarckreich, S. 16.

↓39 Ullrich, Volker: Otto von Bismarck, Reinbek 1998, S. 131.

↓40 Ebd. S. 134

↓41 Münkler, Herfried: Der Große Krieg, Die Welt 1914 bis 1918, Berlin5 2014, S. 110-111.

↓42 Bihl, Wolfdieter: Der Erste Weltkrieg, 1914-1918, Chronik – Daten – Fakten, Wien 2010, S. 58.

↓43 Ebd. S. 51.

↓44 Münkler, S. 173-174.

↓45 Ebd. S. 194-195.

↓46 Ebd. S 309-310.

↓47 Ebd. S.399-400.

↓48 Ebd. S. 138-139.

↓49 Ebd. 186-187.

↓50 Ebd. S. 190-193.

↓51 Bihl, S. 87-88.

↓52 Ebd. 110-111.

↓53 Münkler, S. 183-186.

↓54 Bihl, S. 96.

↓55 Münkler, S. 333-342.

↓56 Bihl, S. 96.

↓57 Münkler, S. 355.

↓58 Ebd. S. 342-350.

↓59 Ebd. S. 360-362.

 

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=802 0
Bismarckmünzen http://bismarckmythos1915.de/?p=7 http://bismarckmythos1915.de/?p=7#comments Mon, 27 Jul 2015 14:00:47 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=7 Der Bismarck-Mythos fand auf einem breiten künstlerischen Feld seinen Niederschlag. Eines dieser Felder sind die sogenannten münzähnlichen Objekte. Dabei handelt es sich um Medaillen und Plaketten, die Geldmünzen ähneln ohne jedoch einen reellen Geldwert zu haben. Diese wurden zum Gedenken an Ereignisse oder Persönlichkeiten geprägt. Medaillen sind meist rund, während Plaketten meistens rechteckig oder oval und in der Regel größer als Medaillen sind. Plaketten sind außerdem im Gegensatz zu Medaillen oft nur einseitig geprägt. Beide Typen treten sowohl mit als auch ohne Tragevorrichtungen auf.↓1

Die Gemeinsamkeit der Gedenknumismatika mit Postkarten besteht darin, dass der Bismarck-Mythos seinen Ausdruck auf Bildmotiven fand. Unterschiede bestehen beim Material, auf welchem die Bilder geprägt bzw. gedruckt worden sind. Anders als Postkarten bestehen die Medaillen und Plaketten aus Metall, genauer gesagt aus Silber, sowie Bronze.

Kriegswichtige Metalle

Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges verwundert dies. Vom wertvollen Edelmetall Silber einmal abgesehen, mit welchem anstelle des zunehmend wertlosen Papiergeld Einkäufe getätigt werden konnten, war Bronze ein eigentlich noch viel wertvolleres Metall. Bronze besteht nämlich aus Zink und Kupfer. Beides waren kriegswichtige Metalle. Insbesondere das Kupfer war von solcher essentieller Wichtigkeit, vor allem in der Munitionsherstellung, dass nach Kriegsbeginn Geldmünzen aus Kupfer eingezogen worden sind.↓2 Im Jahre 1917 war der Kupferbedarf der Kriegsindustrie anscheinend so groß und die Reserven so gering geworden, sodass bspw. neben der Abgabe von Kirchenglocken an die Kriegsindustrie, von der Kriegsrohstoffabteilung des Kriegsamtes am 9. März 1917 die „Beschlagnahme, Meldepflicht, Enteignung und Ablieferung […]“ von kupferhaltigen Baumaterialen öffentlicher und privater Häuser verkündet worden ist.↓3

Vor diesem Hintergrund stellte sich die weiterführende Frage nach der Prägezahl der hier behandelten silbernen und bronzenen Medaillen und Plaketten. Sofern es dazu möglich war eine Verlagsauskunft einzuholen, war die Antwort leider, dass entsprechende Unterlagen bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden sind. Dies betrifft die Medaille mit den kämpfenden Truppen (Hyperlink) und die Plakette, auf welcher Bismarck mit erhobener Faust abgebildet ist. (Hyperlink) Soweit Informationen über Medailleure und andere Hersteller festgestellt werden konnten, ergänzen sie die aus dem Buch von Thorsten Buchholz übernommenen Angaben nicht.

Eine abschließende Antwort kann daher hier nicht gegeben werden. Es ist daher lediglich zu vermuten, dass der kriegsbedingte Rohstoffmangel im Frühjahr 1915 noch nicht so groß war, dass weiterhin Gedenknumismatika aus diesen Metallen geprägt worden sind. Daran anschließend bleibt festzuhalten, dass zum 100. Geburtstags Otto von Bismarcks nichtsdestotrotz eine Reihe von Gedenknumismatika hergestellt worden sind. Nach Buchholz und Fried ist die Schönhausener Münzsammlung zu Bismarck die vollständigste dieser Art.4

↓Fußnoten:

1: Vgl. Trapp, Wolfgang; Fried, Thorsten: Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland, Stuttgart2 2006, S. 20.
2: Vgl. Ebd., S. 122.
3: Vgl. Kriegsamt: Amtliche Mitteilungen und Nachrichten Nr. 10, Berlin 17. März 1917, S 8-9.
4: Vgl. Buchholz, Thorsten; Fried, Thorsten: Geprägte Erinnerung, Der Bismarck-Mythos auf Medaillen, 2002, S. 15.

Bismarck im Profil Ansicht des Hamburger Bismarck-Denkmals Reichsadler und Bismarck Deutsche Infanterie und Kavallerie, darüber der Geist Bismarcks Kopf im Profil | Der Oberkörper des Titanen ]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=7 0
Bismarck-Denkmal http://bismarckmythos1915.de/?p=468 http://bismarckmythos1915.de/?p=468#comments Mon, 27 Jul 2015 13:51:09 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=468 Diese Medaille zeigt vor einem (hier nur schwer zu erkennenden) Hintergund von Kriegsschiffen das Hamburger Bismarckdenkmal, verfremdet und  sein Schwert ziehend. Die Bedeutung der Medaille richtet sich klar gegen England mit den Aussagen auf den Rückseiten „GOTT STRAFE ENGLAND“ und „FALSCHES ENGLAND HÜTE DICH.“ ↓1

Bei Kriegsausbruch bestand aufseiten Deutschlands die Hoffnung, England aus dem Krieg herauszuhalten. Erst durch den deutschen Einmarsch in Belgien war Großbritannien als dessen Schutzmacht in den Krieg eingetreten.(Hyperlink zur Kriegssituation) Die Kriegsmarine verblieb fast die gesamte Kriegszeit untätig in ihren Häfen. ↓2 Auch diese Plakette ist hinsichtlich der Abbildung eher die Projektion einer Wunschvorstellung als tatsächlicher zeitgenössischer Ereignisse.

Rs. 2. Münze: Im Perlkreis Inschrift: „FALSCHES / ENGLAND / HÜTE DICH“ Bronze, 33 mm

Rs. 2. Münze: Im Perlkreis Inschrift: „FALSCHES / ENGLAND / HÜTE DICH“
Bronze, 33 mm

Das unbelebte Denkmal scheint vom Geist Bismarcks beseelt zu sein und nun in den Kampf gegen England einzutreten. Durch das Lebendigwerden des Denkmals wird eine Vergöttlichung Bismarcks erreicht.
Die antienglischen Parolen stellen einen zeitgenössischen Bezug zur Situation an der Westfront her, da Deutschland hier gegen französische und englische Truppen kämpfte. Englische Truppen hatten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die deutsche Niederlage in der Schlacht an der Marne im September 1914, als sie eine Frontlücke zwischen der 1. und 2. deutschen Armee ausnutzten, die zum deutschen Rückzug in dieser Schlacht beitrug. ↓3
Wenn also die Inschriften auf der Rückseite von einem angeblich falschen England sprechen, das von Gott gestraft werden soll, dann trifft das nicht zu. Hier wird versucht, die historischen Fakten zu verdrehen und Verantwortungen von sich auf einen anderen abzuschieben. Die Motive dieser Medaille mögen zeitgenössisch “funktioniert” haben, sie halten aber einer Überprüfung mit historischen Fakten nicht stand.

Informationen zum Bild:↓4

„Unbekannter Medailleur”
Vs.: Im Perlkreis verfremdete Ansicht des Bismarck-Denkmals in Hamburg nach links, von Meeresfluten umspülter Bismarck als Rolandsfigur in Rüstung mit Umhang, das Schwert aus der Scheide ziehend, flankiert von zwei drohenden Adlern, im Hintergrund am Horizont Flottenverbände
Rs.: Im Perlkreis Inschrift: GOTT / STRAFE / ENGLAND
Rs. 2. Münze: Im Perlkreis Inschrift: „FALSCHES / ENGLAND / HÜTE DICH“
Bronze, 33 mm

↓Fußnoten:

1. Vgl. Buchholz, S. 220-221.
2. Vgl. Münkler, S. 492-493.
3. Vgl. Ebd., S. 173-174.
4. Vgl. Buchholz, S. 220-221.

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=468 0
Bismarck mit erhobener Faust http://bismarckmythos1915.de/?p=466 http://bismarckmythos1915.de/?p=466#comments Mon, 27 Jul 2015 13:33:51 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=466 Bismarck befindet sich mit Schwert und erhobener Faust in einer martialisch-heroisierenden Kampfpose, die Stärke ausdrücken soll. Er steht hinter einem das Deutsche Kaiserreich symbolisierenden Reichsadler, der ein Liktorenbündel in seinen Klauen hält.

Das Liktorenbündel, welches aus einem Beil bestand, dass in einem Rutenbündel steckte, war das Amtssymbol für die höchsten römischen Machthaber, wie Konsuln und Diktatoren. Diese wurden der jeweiligen Person von den Liktoren vorangetragen. ↓1 Dadurch wird das Deutsche Kaiserreich in eine Traditionlinie sowohl zum Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als auch zum antiken Römischen Imperium gestellt.

Die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sahen sich als die Nachfolger der Römischen Kaiser. Nach der antiken und mittelalterlichen Vorstellung, die sich in der „Vier-Reiche-Lehre“ begründete, war das Römische Weltreich das letzte Reich, nach dessen Untergang Gott die Weltgeschichte würde enden lassen. Infolge der „Translatio Imperii“-Theorie↓2 ging die römische Herrschaft im Mittelalter erst auf die Franken und dann auf die Deutschen über, wodurch das Römische Imperium in der Wahrnehmung der Zeitgenossen fortbestand.

Dies legt den Schluss nahe, dass das Deutsche Kaisereich, in Gestalt des Reichsadlers und des Liktorenbündels, als Nachfolger des mittelalterlichen und damit auch des antiken Kaiserreichs gesehen wurde.

Auf dieser Plakette werden außerdem die Gleichzeitigkeiten des Ungleichzeitigen offenbart. Bismarck ist von Lanzen und Kanonen flankiert. Lanzen gehörten zur Bewaffnung von Kavallerie, doch verlor die Kavallerie ihre militärische Bedeutung im 1. Weltkrieg. Stattdessen wurde die Artillerie wichtig, was sich in deren Ausbau als Waffengattung und ihrem massiven Einsatz an der Westfront, in der Schlacht von Verdun und der Schlacht an der Somme im Jahr 1916 zeigte.

Die hier dargestellte Lesart des Bismarck-Mythos beansprucht einerseits eine ganz bestimmte Traditionslinie, da Bismarck hier in eine anscheinend nahezu zweitausendjährige kaiserliche Tradition gestellt wird. Andererseits wird durch die Abbildung der Waffen militärische Propaganda betrieben, da mit dieser Darstellung die Stärke der deutschen Armeen symbolisiert wird.

Informationen zum Bild:↓3

„Unbekannter Medailleur
Vs.: Im Rahmen sich aufschwingender gekrönter Reichsadler mit Liktoren-Bündel in den Fängen von vorne zwischen zwei gekreuzten Fahnen, Lorbeer- und Eichenzweige, Kanonen und Lanzen, darüber Bismarck stehend von vorne mit gesenktem Schwert und geballter Faust, im Feld links die Jahreszahl: 1914, unter dem Adler eine Tafel mit Inschrift: ZUM / 100. GEBURTSTAG / BISMARCKS / 1815 -1915, bez. am Rand links: M(ayer). u(und) W(ilhelm)., rechts: ST(UTTGARTT).
a. Silber, Rand gepunzt: 1000 Silber, 50 x 40 mm
[…]
Hersteller: Metallwarenfabrik und Kunstprägeanstalt Mayer & Wilhelm, Stuttgart.“

↓Fußnoten:

1. Vgl. Rabbow, Arnold: dtv-Lexikon politischer Symbole, München 1970, S. 76.
2. Vgl. Thomas, Heinz: Translatio Imperii, in: Lexikon des Mittelalters, 10 vols (Stuttgart: Metzler, [1977]-1999), vol. 8, cols 944-946, in: Brepolis Medieval Encyclopaedias – Lexikon des Mittelalters Online.
3. Vgl. Buchholz, S.219.

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=466 0
Kämpfende Truppen http://bismarckmythos1915.de/?p=464 http://bismarckmythos1915.de/?p=464#comments Mon, 27 Jul 2015 13:28:43 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=464 Die abgebildeten deutschen Truppen marschieren von links nach rechts. Bei einer Nordung der Münze würde das bedeuten, dass sie, vor dem Hintergrund des 1. Weltkrieges, nach Osten, also in Richtung Russland marschieren. Allerdings sind die auf der Rückseite fliehenden Soldaten als Franzosen erkennbar.

Die Begebenheit, auf die diese Medaille Bezug nimmt, ist einerseits das sogenannte Augusterlebnis. Mit Blumen geschmückte Truppen ziehen scheinbar unter dem allgemeinen Jubel der gesamten Bevölkerung ins Feld. Diese historiographische Darstellung ist zum größten Teil unzutreffend. Zwar gab es eine gewisse Zustimmung zum Kriegseintritt, aber in der breiten Bevölkerung überwogen Angst und Unsicherheit. ↓1 Das Augusterlebnis an sich ist eher eine Konstruktion national gesinnter Bevölkerungsschichten gewesen, bei der einzelne gesellschaftliche Ereignisse sowohl aus dem Kontext gerissen, als auch eine entsprechende Umdeutung erfahren haben, um sie in das „Augusterlebnis“ integrieren zu können. ↓ 2

Andererseits wird durch die Vorgänge auf der Rückseite der Medaille Bezug zum Feldzug gegen Frankreich von 1870/71 genommen. Die vor den siegreichen Deutschen fliehenden französischen Truppen, was im August 1914 auch tatsächlich so war, symbolisieren die Hoffnung, dass der gegenwärtige wie der vorherige Krieg, ein kurzer, schneller und siegreicher Krieg werden sollte. Nach den anfänglichen Erfolgen war die Westfront im Frühjahr 1915 allerdings schon längst in Schützengräben erstarrt, und von einem schnellen Sieg über Frankreich konnte keine Rede mehr sein.

Die im Hintergrund erkennbaren Kriegschiffe konstruierten ebenso wie die fliehenden Franzosen eher eine Hoffnung als eine Kriegsrealität. Die deutsche Kriegsmarine sollte, von einigen wenigen Gefechten zu Beginn des Krieges, und der Skarrgerakschlacht von 1916 ↓3 den Großteil des Krieges untätig in ihren Häfen liegen. ↓4
Über den ausrückenden Truppen schwebt in den Wolken, mit den theologisch aufgeladenen Worten: „Ich bin bei euch“, der Geist des verstorbenen Bismarck. Hiermit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Bismarck aus seinem Grab heraus die deutschen Truppen unterstützt und als Schutzengel über sie wacht.

Der wiederauferstandene bzw. aus dem Jenseits agierenden Bismarck vergöttlicht die Person Bismarck zum Mythos. Daneben zeigt diese Medaille aber auch eine starke Kriegspropaganda auf, in der der gegenwärtige Krieg in die Tradition des siegreich geführten Feldzugs von 1870/71 gestellt wird, welcher mit einem deutschen Sieg und der Gründung des Deutschen Kaiserreichs endete.

Informationen zum Bild: ↓5

Medaille Kämpfende Truppen:
„Unbekannter Medailleur
Vs. Von der Bevölkerung begeistert verabschiedete deutsche Infanterie und Kavallerie nach rechts, darüber der Geist Bismarcks in Wolken, im Abschnitt die Jahreszahl 1914, bez. über dem Abschnitt rechts: M(ayer). & W(ilhelm). ST(UTTGART).
Geteilte Umschrift oben: ICH BIN _ BEI EUCH
Rs. Deutsche Infanterie im Kampf mit flüchtenden französischen Truppen nach rechts, im Feld oben Seeschlacht, bez. am Rand rechts: M. & W. ST., Inschrift im Spruchband unten: GEPRÄGT ANLÄSSL. DER 100. GEBURSTAGSFEIER BISMARCKS 1. 4. 1915.
Umschrift oben: MIT GOTT WOHLAUF FÜR DEUTSCHEN REICHES EHR
Silber Rand gepunzt: 1000 Silber, 54 mm
Hersteller: Metallwarenfabrik und Kunstprägeanstalt Mayer & Wilhelm, Stuttgart
Lit.: Bahrfeldt, Nr. 5

↓Fußnoten:

1. Vgl. Münkler, Herfried: Der Große Krieg, Berlin5 2014, S. 222-225.
2. Vgl. Stöcker, Michael: Augusterlebnis 1914 in Darmstadt. Legende und Wirklichkeit, Darmstadt 1994, S. 9-11.
3. Vgl. Ebd., S 497-508.
4. Vgl. Ebd., S. 492-493.
5. Vgl. Buchholz, S.216.

 

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=464 0
Bismarck und Atlas http://bismarckmythos1915.de/?p=461 http://bismarckmythos1915.de/?p=461#comments Mon, 27 Jul 2015 13:26:10 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=461 Auf dieser Medaille wird Bismarck mit dem griechischen Titanen Atlas verglichen. Dieser trägt in der griechischen Mythologie das gesamte Himmelsgewölbe auf seinen Schultern. Allerdings trägt Bismarck auf der Rückseite der Medaille auf seinen Schultern anstelle des Himmels das deutsche Kaiserreich.

Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs wird auf dieser Medaille einzig und allein auf die Person Bismarcks fokussiert, was auch durch die Inschrift „Dem Schöpfer des Reiches“ verdeutlicht wird. Zwar trägt Atlas das Kaiserreich, doch ist durch die Inschrift eindeutig, dass das Deutsche Kaiserreich auf den Schultern Bismarcks ruht.

Diese Konzentration der Geschichte auf Bismarck diente der mythologischen Überhöhung desselben, die einer Überprüfung mit historischen Fakten allerdings nicht standhält. Bismarck kam zugegebenermaßen eine bedeutende, aber keine alleinige politische Rolle für die Reichsgründung zu.
Dass Bismarck hier trotzdem eine solche Aufwertung erfährt, verrät viel über den Bismarck-Mythos. Auch wenn die Geschichte in einer objektiv-kritischen Sichtweise nicht auf Bismarck allein verkürzt werden kann, so scheint dies doch die vorherrschende zeitgenössische Ansicht zu Bismarck gewesen zu sein.

Hier wird somit der Mythos konstruiert, dass es ohne Bismarck kein Kaiserreich gegeben hätte. Wie allerdings die Geschichte ohne Bismarck verlaufen wäre, kann nicht gesagt werden, da dies kontrafaktische Spekulationen wären. In der Gleichsetzung der Person Bismarcks mit einem mythologischen Wesen wird die Person Bismarcks ebenso mythologisiert. Dadurch wird eine Vergöttlichung Bismarcks erreicht.

Informationen zum Bild:↓1

Medaille Bismarckkopf mit Atlas auf der Rückseite:
„Medailleur: Paul Sturm (1859-1936)
Vs.: Barhäuptiger Kopf im Profil nach rechts, darunter Inschrift: BISMARCK
Rs.: Der Oberkörper des Titanen Atlas, mit Eichenlaub gegürtet, der lorbeerbekränzte Kopf im Dreiviertelprofil nach links, eine Landkarte des Deutschen Reiches mit der Inschrift: DEUTSCHLAND tragend, nach links, daneben links das zweizeilige Datum: 1. April/1915, sign. An der Umschrift unten rechts: STURM FEC(IT). (=Sturm hat es gemacht.), bez. am Rand unten links: GRÜNTHAL
Umschrift: DEM SCHÖPFER DES DEUTSCHEN REICHES
Bronze versilbert, 110 mm
Grünthal Verlag, Berlin
Lit:Bahrfeldt, Nr. 2“

↓Fußnote:

Vgl. Buchholz, S.210.

 

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=461 0
Bismarckkopf http://bismarckmythos1915.de/?p=451 http://bismarckmythos1915.de/?p=451#comments Mon, 27 Jul 2015 13:19:08 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=451 Die Darstellung des nach rechts blickenden Bismarck ist sehr einfach gehalten und verglichen mit zuvor geprägten, detailreichen und prächtigen Darstellungen auffällig schmucklos.

Diese Art der Darstellung findet sich auf einer großen Anzahl verschiedener Medaillen und Plaketten, sodass diese Medaille als einzelnes Anschauungsbeispiel dienen soll. Die Variationen in der Darstellung beschränken sich auf die Blickrichtung und die Kleidung Bismarcks. Bismarck blickt entweder im Profil bzw. Teilprofil nach links oder nach rechts. Dabei trägt er entweder Uniform, mit oder ohne Pickelhaube, oder Zivilkleidung.

Da nur Bismarck auf der Medaille abgebildet ist, ist eine Einordnung der Münze nur durch die Inschrift auf der Rückseite möglich. Die Nennung des Datums des 1. April sowie der beiden Jahre 1815 und 1915 lässt erkennen, dass diese Münze anlässlich des 100. Geburtstags Bismarcks geprägt worden ist. Ansonsten finden sich auf der Münze keine weiteren Bezüge.

Auf der Medaille wird schlicht und einfach Bismarck dargestellt. Die Darstellung ohne Namensnennung, nur mit einer Datierung scheint ausreichend gewesen zu sein. Jede Person, die diese Medaille sah, wusste sie anscheinend sofort einzuordnen, sodass auf eine Nennung des Namens Bismarck verzichtet werden konnte. Das Aussehen Bismarcks muss daher in der Bevölkerung, zumindest in den Schichten, die Zugang zu der Medaille hatten, präsent gewesen sein.

An dieser Medaille wird deutlich, dass die zeitgenössische Wahrnehmung Bismarcks an sich schon eine mythologische Komponente zu beinhalten scheint. Ohne dass weitere Angaben nötig waren, konnte diese Münze ihren Zweck erfüllen. Dieser bestand darin auf den 100. Geburtstag Bismarcks aufmerksam zu machen. Der Mythos und die Person stehen nebeneinander. Genauer gesagt befindet sich der Mythos auf der Vorderseite, und die Person auf der Rückseite der Medaille.

 

Informationen zum Bild:↓1

Medaille Bismarckkopf:
„Medailleur: Carl Melville (1875-1957)
Vs. Barhäuptiger Kopf im Profil nach rechts sign am Halsansatz: C. Melville, bez. am Rand links: Oertel Berlin.
Rs.: Vertiefte Tafel mit den Daten 1815 / 1915, links und rechts davon stilisierte Lorbeerranken, am Rand oben vertieft das Familienwappen Bismarcks
Silber, Rand gepunzt: Silber 990, 33 mm
Hersteller: Otto Oertel, Berliner Medaillen-Münze“

↓Fußnote:

Vgl. Buchholz, S.205.

 

 

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=451 0
Fazit Bismarckmünzen http://bismarckmythos1915.de/?p=474 http://bismarckmythos1915.de/?p=474#comments Mon, 27 Jul 2015 12:51:54 +0000 http://bismarckmythos1915.de/?p=474 Mythos in Münzen

Der Bismarck-Mythos fand auch auf Medaillen und Plaketten verschiedensten Ausdruck. Er reicht hier von der Konstruktion einer mythologischen Gestalt Bismarcks bis hin zur Indienstnahme der Person und des Mythos Bismarck zu zeitgenössischen Ereignissen. Dabei wird Bismarck zugunsten der deutschen Kriegsanstrengungen instrumentalisiert.

Im Vergleich zu den Postkarten ist die Wirkmächtigkeit der Medaillen und Plaketten aber sehr begrenzt. Durch den niedrigen Preis der Postkarten aus Papier erreichten diese eine breite Bevölkerung, die viele Postkarten zwischen Front und Heimat hin- und herschickten. Dadurch konnten die wegen des Krieges auseinander gerissenen Familien miteinander kommunizieren und Kontakt halten.

Im Gegensatz dazu erreichten die Medaillen und Plaketten die breite Bevölkerung nicht. Insbesondere bei der großen silbernen Atlasmedaille wird deutlich, dass die propagandistischen Medaillen und Plaketten nur einer kleinen vermögenden Schicht, wie dem gehobenen Bürgertum, zur privaten Sammlung zugänglich waren. Welchen zusätzlichen Nutzen hätte eine an die Front geschickte wertvolle Silbermedaille im Vergleich mit einer Postkarte auch schon haben können? Auch auf Postkarten fanden sich propagandistische Darstellungen, aber hauptsächlich wurden durch sie persönliche Nachrichten von Freunden und Familien übermittelt. Was hat ein an der Front dienender Soldat, der massiver Propaganda ausgesetzt ist, nötiger als den Kontakt mit seinen Angehörigen?

]]>
http://bismarckmythos1915.de/?feed=rss2&p=474 0