Otto von Bismarck – Ein Lebensbild

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Die 1915 erschienene Biographie Bismarcks „Otto von Bismarck – Ein Lebensbild“ wurde von dem Historiker Erich Marcks verfasst. Es gilt als eines der eingängigen, wissenschaftlichen Fachliteratur-Werke Deutschlands der Zeit. Nachdem Marcks in „Alter Geschichte“ in Straßburg 1884 promoviert worden war, habilitierte er sich 1887 bei Heinrich von Treitschke in Berlin. Dieser hatte Professuren in Freiburg, Kiel, Heidelberg und Berlin und war später der Historiograph des preußischen Staates sowie Herausgeber der HZ (Historische Zeitschrift). Aktuelle Politik versuchte Treitschke mit Hilfe der Geschichtswissenschaft abzuleiten. Treitschke verhalf seinem Schützling zu seiner ersten Lehrstelle in Freiburg im Breisgau. Der „Neo-Rankeaner“ (nach Marcks‘ Verständnis von Staat, Geist und die Persönlichkeit)↓1. Marcks glich sich nach und nach seinem nationalliberalen Protektor in den Inhalten seiner wissenschaftlichen Arbeiten und seiner politischen Meinung an. Im letzten Abschnitt des Artikels zu Erich Marcks in der Neuen Deutschen Biographie wird er als „einer der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus“ beschrieben; was diskussionswürdig ist.↓2.

Veröffentlicht wurde Marcks‘ Bismarck-Biographie von der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung. Das Werk beinhaltet drei Bücher. Das erste Buch „Jugend und Aufstieg“ umfasst die Jahre 1815 bis 1862 in 57 Seiten. Diese sind in vier Sinnabschnitte gegliedert: „Die Jugend“, „Revolution und Landtag“, „Frankfurt am Main“ und „Petersburg und Paris“. Der Inhalt des ersten Buches ist wahrscheinlich auf zwei frühere Werke Marcks‘ zurückzuführen. 1909 veröffentlichte Erich Marcks das Buch „Bismarcks Jugend 1815-1848“. Dieses sollte der Auftakt einer mehrbändigen Biographie über Otto von Bismarck werden. Der erwähnte zweite Band: „Bismarck und die deutsche Revolution 1848-1851“ erschien erst posthum im Jahr 1939. Aufgrund der zeitlichen Termination durch den hundertsten Geburtstag Otto von Bismarcks schrieb Marcks einen alles umfassenden Einzelband zu Bismarck und verwarf wahrscheinlich die Idee der mehrbändigen Reihe.

Die vom schriftlichen Umfang ähnlichen letzten zwei Büchern der untersuchten Biographie sind, jedoch in Relation zum ersten Buch, mit jeweils fast hundert Seiten, nahezu doppelt so lang. Diese sind ebenfalls in vier Abschnitte aufgeteilt. Beim zweiten Buch, „Die Reichsgründung“, setzt Marcks die zeitlichen Zäsuren 1862 und 1878, somit handelt er in diesem Teil von Bismarcks Lösung des Verfassungskonflikts, der preußischen Heeresreform, über die drei deutschen Einigungskriege bis zu den ersten Inneren Konflikten alles ab.

In „Die Spätzeit“, dem letzten Buch der Biographie, beschreibt Marcks in den ersten beiden Abschnitten die Problematiken der Innen- und Außenpolitik und insbesondere die Bündnispolitik Bismarcks. Die letzten beiden Abschnitte thematisieren den Übergang von Kaiser Wilhelm I. zu Wilhelm II. und das Leben Bismarcks nach seinem „Rücktritt“ aus der Politik bis zu seinem Tod.

Erich Marcks‘ 1915 erschienene Biographie ist ein Paradebeispiel für den Mainstream der damaligen deutschen Geschichtsschreibung, den Historismus neo-rankianischer Prägung. Bismarck wird als Schöpfer Deutschlands dargestellt und stark heroisch beschrieben. Dies macht Marcks schon in seinem Vorwort deutlich:

… aber als ein Buch, daß von großen deutschen Erlebnissen und Taten und von einem großen deutschen Menschen zu künden hat, von einem Heldentume, dessen Anblick Kraft und Trost und Mut und Hoffnung und Glaube ist: Glaube an das Volk und das Reich, das er aufgerichtet hat und das er verkörpert, und über allen Lob hinaus Glaube an das Leben und die Zukunft.
München, den 10. Februar 1915.

Erich Marcks↓3.

Marcks beschreibt schon den jungen Bismarck als sehr zielorientiert, eine kritische Betrachtung von Politik und Religion, sagt er diesem schon während seiner frühen Schulzeit nach.

Im zweiten Buch wird Bismarck wie ein heroischer Retter beschrieben, der in jedem Konflikt eine Lösung findet. Zum Ende der Biographie vergleicht Marcks Bismarck mit anderen Größen Deutschlands und Preußens wie Friedrich dem Großen und Goethe. In der Zeit nach der politischen Laufbahn wird Bismarcks emotionale Seite sehr hervorgehoben, zudem wird er sehr mythisiert.

Diese Bismarck-Biographie war an den Fachkollegen der Geschichtswissenschaft gerichtet, galt jedoch auch als Standardbiographie Bismarcks des gebildeten Bürgertums in Deutschland.

Im Vorwort nennt Marcks den Ersten Weltkrieg als eine der Motivationen, die ihn zum Schreiben der Biographie brachte, ansonsten sind in dem Werk selbst eher wenige Verweise auf den Krieg. Die Bismarck-Biographie hat ein starkes nationalistisches Momentum und zeichnet Bismarck in romantisierenden Worten als den Übervater Deutschlands. Somit trug dieses Hauptwerk Marcks‘, wie ein Großteil seiner anderen Schriften, zu einer allgemeinen nationalistischen Stimmung in Deutschland bei.

Fußnoten:

  1. Nordalm, Jens: Historismus und moderne Welt – Erich Marcks (1861 – 1938) in der deutschen Geschichtswissenschaft, Berlin 2003, S. 124, Z.25-26.
  2. Fuchs, Peter: Marcks, Erich, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 122-125 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/ppn118577565.html.
  3. Marcks, Erich: Otto von Bismarck – Ein Lebensbild, Stuttgart und Berlin 1915, S. VIII.